Monat: November 2019

Zwei traenende Augen

Kapitel 9

"Am Ende einer Reise
Kommst du in deine Welt
Und lehnst dich ruhig zurück
Du hast ja noch ne zweite
In die du gehen kannst
Wenn es hier nicht weitergeht" - von Turbostaat - Am Ende einer Reise

Tag 49 (19.11.19)

Mein Aufenthalt auf der Insel sollte nur von kurzer Dauer sein. Daher war es wichtig heute den Tag noch mal zu nutzen und so viel wie möglich von der Umgebung rund um Vela Luka zu erkunden. Wie sollte es auch anders sein, geht das natürlich am besten auf dem treuen Drahtesel. Nach etwas planlosem umherfahren habe ich mir die Höhle Vela Spila zum Ziel gemacht.

Der Weg dorthin führte mich direkt hoch entlang des Berges wessen Hang hauptsächlich zum Olivenanbau genutzt wird. Anders als in Lovište, wo bereits alle Oliven abgeerntet wurden, war die Lese hier im vollen Gange. Überall wuselten Menschen zwischen dem Geäst und holten das Grüne und Schwarze Gold per Hand oder mit Hilfsmittel von den Bäumen.

Auffällig hier bei war, das überwiegend ältere Menschen sich dieser Arbeit angenommen haben. Das lässt vermuten, dass in Kroatien das gleiche Problem herrscht wie in Deutschland. Körperliche Arbeit entspricht nicht mehr den Vorstellungen der jungen Generation. Ist es die Arbeit oder die Bezahlung, welche hier als Hauptproblem aufzuführen ist?

Ich greife vorweg: zumindest bei der Fährfahrt nach Split habe ich mich mit einem Mann unterhalten, unwesentlich älter als ich, welcher regelmäßig von Split nach Vela Luka fährt um dort bei der Olivenernte zu helfen. Wenn man mich also noch zu einer jungen Generation zählt, gibt es doch noch den einen oder anderen, der bereit ist in den Hängen rumzuturnen und die Früchte zu ernten.

 

Übrigens habe ich natürlich auch während meines Aufenthalts in Kroatien mal die ein oder andere Olive direkt vom Baum probiert. Schließlich ist frisch doch immer am Besten. So aber nicht bei Oliven. Direkt vom Baum sind sie ungenießbar. Lediglich direkt zum Öl können sie so verarbeitet werden. Um sie als Frucht genießen zu können werden sie erst noch über einen längeren Zeitraum eingelegt um die Bitterstoffe aus ihr raus zu holen.

Neben den Oliven findet man zwischen drin auch überall an der Küste immer wieder kleine und größere Bäume mit roten Früchten daran. Sie wachsen hier völlig wild und sind im Gegensatz zu Mandarinen und Oliven tatsächlich eine heimische Pflanze. Doch scheinen sie an Popularität verloren zu haben und viele der Früchte gehen ungenutzt zu Boden. Wie ich in Lovište erfahren habe, handelt es sich hierbei um Baumerdbeeren. Immer wenn ich die Gelegenheit hatte, sind die ein oder andere in meinem Mund verschwunden. Den Geschmack kann ich nur schwer beschreiben. Eigen. Lecker. Sehr Lecker.

Immer wieder erstaunt es mich, wie groß doch der Unterschied ist, mit einem voll bepackten Fahrrad zu fahren oder einfach nur mit einem Rücksack auf dem Rücken. Dazwischen liegen Welten. Ein Anstieg fühlt sich da an wie eine gerade Strecke. So fällt es mir vergleichsweise leicht die zum Teil steilen Anstiege zu überwinden.

Als ich die Höhle Vela Spila erreiche werde ich leider enttäuscht. Der Nachteil außerhalb der Saison unterwegs zu sein. Der Eingang ist verschlossen. Statt dessen darf ich beobachten wie ein Falke, zumindest nehme ich an, dass es einer war, sich eine Taube als Beute gegriffen hat. Leider fühlt er sich durch meine Anwesenheit so gestört, dass er von dannen fliegt.

Auch ich mache kehrt und erkunde weiter die Gegend. Zum Abschluss zieht es mich wie immer ans Wasser wo ich mich ans Ufer setze und zur Ruhe komme, ehe ich wieder Richtung Unterkunft aufbreche.

Im Ort gibt es für mich nichts weiter zu erkunden und so lasse ich den Abend entspannt ausklingen.

Tag 50 (20.11.19)

Damit ist meine Zeit auf der Insel auch schon wieder vorbei. Die Fähre geht jedoch erst am Nachmittag und so habe ich alle Zeit der Welt langsam in den Tag zu starten, noch Mittag zu essen und mich dann langsam zum Hafen zu begeben.

Die Überfahrt von Vela Luka nach Split mit der normalen Autofähre dauert knapp über drei Stunden. Das Wetter ist etwas windig und ab und an kommt auch regen dazu.
Dennoch verbringe ich während der Überfahrt einen Großteil der Strecke an Deck. Nach etwa einer Stunde merke ich in mir die berüchtigte Seekrankheit aufkommen. Unter Deck schlimmer als im Freien.

Wie im Podcast beschrieben leidet ein anderer Passagier jedoch Höllenqualen. Die Geräusche sind bei meinem Zustand nicht gerade förderlich. Irgendwie schaffe ich es dennoch mich davon abzuhalten es ihm nicht gleich zu tun.

Als wir in Split anlegen und alle aussteigen läuft der Arme Mann wie ein Geist an mir vorbei. Die Freude über festen Boden unter den Füßen kann er erst später zeigen.

Ich begebe mich direkt zu meiner neuen Unterkunft. Der Weg dort hin ist mir vertraut. Habe ich in der einen Woche in Split die Altstadt doch ziemlich gut erkundet und finde mich nun problemlos zurecht. Fast zumindest. Ein wenig muss ich doch noch umher irren ehe ich die richtige Adresse finde. Google und Maps.Me kann man in den engen Gassen vergessen. Diese sind dort völlig überfordert und geben nur die Richtung an.

Als ich dort ankommen beginnt es auch mal wieder kräftig zu schütten. Bloß gut, dass ich wieder ein Dach über dem Kopf habe. Mal sehen, wie es die nächsten Tage so aussieht.

Tag 51 (21.11.19)

Einer dieser Arbeitstage, welche mich dazu verdonnern die meiste Zeit am Computer zu verbringen um Bilder zu bearbeiten und Text zu schreiben. Aber es macht Spaß und gehört daher einfach zum Trip dazu. Am späten Nachmittag konnte ich ja dennoch einen Ausflug ans Meer machen. Das lasse ich mir nicht entgehen so lange ich hier bin.

Tag 52 (22.11.19)

Der Tag beginnt etwas trüb und so nutze ich die Zeit um an der Webseite weiter zu arbeiten. Ein Podcast muss ja mal wieder her. Im laufe des Vormittags kommt die Sonne dann doch noch raus und so beschließe ich diese auch zu nutzen.

Eine Runde den Strand entlang und durch die Stadt. Am Meer lasse ich mich nieder und nehme den Podcast auf. Wer es noch nicht gehört hat. Nun aber schnell. The Sound of Lovište.

Das war eigentlich auch schon der ganze Tag. Viel Zeit am PC arbeiten und durch die Stadt tingeln. Alles ganz entspannt. Abends genieße ich immer die Zeit am Wasser.

Tag 53 (23.11.19)

Nach dem ich die letzten beiden Tagen doch viel Zeit in geschlossenen Räumen verbrachte, wollte ich heute unbedingt mal wieder raus und ein wenig was sehen. Da ich Split zum großen Teil nun schon erkundet habe, war es nun an der Zeit das Umland zu entdecken.

Beim Weg raus aus der Stadt habe ich die kleine, ja was ist das, Halbinsel? Vranjic entdeckt. Ein kleines Stück Festland mit ein paar Wohnhäusern Häusern welche in die Bucht zwischen Split und dem Festland ragt.
Von dort aus bin ich dann weiter Richtung Mravince, entlang vom Fluss Jadro immer weiter nach oben.

Die Bergstraße hat mich ordentlich ins schwitzen gebracht. Aber ohne Gepäck ist dann doch das alles in recht kurzer Zeit bewältigt. Aus der Ferne erblickt man schon Fortress Klis.
Immer wieder erwische ich einen traumhaften Blick übers Festland mit ihren Bergen, über die Stadt Split und das Meer. Die Wolkendecke bricht auf, als ich gerade am höchsten Punkt der Tour bin. Das gesamte Panorama badet im goldenen Schein der Abendsonne.

Ich genieße die Zeit und die Sicht von dort oben so lange ich kann. Doch sitzt mir auch etwas die Zeit im Nacken. Zu dieser Jahreszeit wird es zeitig dunkel und ich meide es stets im Dunkeln mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Die vielen Kreuze am Straßenrand erinnern mich regelmäßig daran, dass es die hiesige Bevölkerung es nicht allzu genau nimmt, mit der Sicherheit im Straßenverkehr.

Eine steile Abfahrt nach Solin bringt mich wieder auf Kurs in die Stadt. Als Radfahrer ist es dort immer etwas nervig zu fahren, da es keine Radwege gibt. Die meisten Leute sehe ich auf den Fußwegen fahren. Doch nerven dabei immer die Bordsteinkanten an den Kreuzungen. So ist es halt.

Die letzten Sonnenstrahlen nutze ich beim Rückweg noch einmal um durch den Marjan Waldpark zu fahren. Dort gibt es keinen Straßenverkehr und einen sehr gut ausgebauten Radweg und stets einen tollen Blick aufs Meer und den Sonnenuntergang. Fast jeden Tag den ich in Split war, habe ich stets einen Abstecher in diesen Bereich der Stadt gemacht.

Tag 54 (24.11.19)

Es bleiben nur noch zwei Tage in Split. Hin und her gerissen zwischen – ich muss noch etwas erleben bevor ich fahre – und – die letzten Tage will ich einfach nur entspannen – versuche ich den Tag zu planen.

Mein Kompromiss ist es den Telegrin Aussichtspunkt im Marjan Waldpark aufzusuchen. Bei meinem ersten Besuch in Split war ich auch schon einmal hier oben. Link - Mehr Rehaurlaub als Abenteuerreise.
Der Ausblick, welchen man von dort oben hat ist jedoch stets einen Besuch wert. Sportlich kommt man dabei auch voll auf seine Kosten.

Der Tag wird in Ruhe angegangen. Nichts hetzt und triebt mich. Und das genieße ich.

Tag 55 (25.11.19)

Heute ist es soweit. Mein letzter Tag in Split. Heute Nacht fährt mein Zug Richtung Norden. Kroatien will es mir mit dem Abschied auch noch einmal richtig schwer machen und spielt noch mal alle Asse aus.

Strahlender Sonnenschein und Wolkenloser Himmel laden zu einem Besuch am Strand ein. Wir haben Ende November und ich kann am Meer sitzen als wäre Hochsommer. Lediglich der Gang ins Wasser weißt darauf hin, dass die Badesaison vorbei. Egal. Auch wenn die Stürme der letzten Tage das Wasser gut durchgewühlt haben. Die Chance noch einmal ins Wasser zu gehen und mit den Fischen zu schwimmen, lasse ich mir nicht entgehen.

Nach dem Bad in der salzigen Kälte verbleibt noch genug Zeit, um den Körper in der Sonne wieder auf angenehme Temperaturen zu heizen.

Zum Sonnenuntergang begebe ich mich langsam zur Unterkunft um all mein Zeug zusammen zu packen. Diesmal hat das Packen ein faden Beigeschmack. Denn ich packe nicht um weiter Richtung Süden zu ziehen, sondern führt mich meine Reise nun wieder langsam zurück Richtung Deutschland.

Nach dem ich das Apartment verlassen habe hole ich mir noch etwas zu Essen und setze mich an den Hafen bis ich mich zum Bahnhof begebe. Der Nachtzug von Split nach Zagreb fährt pünktlich kurz vor 22 Uhr ab.

Tag 56 (26.11.19)

Die Zug zu besteigen und einen Platz einzunehmen fühlt sich vertraut an. Im Vergleich zu herfahrt hat sich nichts geändert. Das Fahrrad wird sicher im Abteil verstaut und dann eine Kabine aufgesucht.

Wie schon bei der Herfahrt habe ich Glück. Nur ein weiter Fahrgast setzt sich mit in mein Abteil. So hat jeder wieder 3 Sitze für sich auf denen er sich lang machen kann. Es ist kein Erholsamer Schlaf und ich wieder immer wieder wach, positioniere mich neu, schaue aus dem Fenster. Dennoch geht die Strecke zwischen Split und Zagreb gefühlt schnell vorbei.

Kurz vor Sechs Uhr erreichen wir die Hauptstadt Kroatiens. Die knappe Stunde Aufenthalt nutze ich um mir beim Bäcker eine Kleinigkeit zum Frühstück zu holen. Dann geht es auch schon wieder in den nächsten Zug, welcher mich nach München bringen soll.

„Soll“ ist hierbei das Stichwort. Ich nutze ein wenig der Zeit im Zug um direkt schon wieder etwas Text für die Webseite zu verfassen. Doch die Müdigkeit hinterlässt ihre Spuren und ich komme in keinen Schreibflow.

Bei der Überfahrt nach Slowenien gibt es eine ausführliche Grenzkrontrolle aller Fahrgäste. Eine Auswirkung davon, dass Kroatien nicht zum Schengenraum gehört. Erst kommt ein kroatischer Polizeibeamter und kontrolliert meinen Ausweis. Es folgt eine zweite Welle Staatsbeamter um die Landespapiere zu prüfen. Der Blick im Gesicht des Beamten ist schon etwas kritischer. „Andreas?“ - „Yes.“ OK, reicht.

Als die Fahrt dann weiter geht, versuche ich etwas zu schlafen. Dies gelingt mir jedoch überhaupt nicht und so bewundere ich einfach die Landschaft Sloweniens durch die Zugscheibe. Wäre das Wetter nicht so kalt-nass, hätte ich hier auch noch ein paar Tage verbracht. Der Ausblick verspricht, dass man hier auch eine gute Zeit verbringen kann.

Bei der Grenze zu Österreich laufen auch noch mal Polizeibeamte durch den Zug. Diesmal werden jedoch keine Ausweise kontrolliert und es geht vergleichsweise schnell weiter.
Eine durchsage im Zug verheißt dann jedoch nichts gutes. In Villach müssen alle den Zug verlassen um einen Alternativstrecke zu nehmen.

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie stressig umsteigen mit Fahrrad ist. Jedes mal die Taschen an und abbauen und von Gleis zu Gleis hetzten. Aber auch das wird bewältigt.
So geht es von Villach mit dem Zug bis Spittal, dort gibt es dann Schienenersatzverkehr nach Bischofshofen. Es gab beim Umstieg in den Bus eine kleine Diskussion, da Fahrradmitnahme eigentlich nicht zur Aufgabe des Ersatzverkehres gehöre. Sorry Leute, ich will trotz dem mit.

Irgendwie schaffen wir das Problem zu lösen und es folgt eine Stunde Busfahrt.
In Bischofshofen muss ich wieder das Fahrrad neu bepacken und zum Bahnsteig hetzen. Ich bin immer der Letzte welcher das Gleis erreicht. Diesmal will der Zug sogar schon los fahren. Empört winke ich mit meiner Signalfarbenden Jacke und der Lokführer lässt den Zug noch einmal anhalten. Glück gehabt.

In Salzburg dann schon wieder aussteigen und in einen neuen Zug steigen. Diesmal aber das letzte mal. Bis nach München darf ich endlich an einem Platz sitzen bleiben. Diese Zugfahrt ist fast anstrengender als einen ganzen Tag mit voll bepackten Fahrrad durch ein Gebirge zu radeln.

Ich bin froh als ich München erreiche und endlich den Zug das letzte mal verlassen kann. Diesmal wird das Gepäck sicher verstaut und nicht nur provisorisch. Denn ein paar Kilometer muss ich nun noch durch und aus München radeln bevor dieser Reiseabschnitt endlich beendet ist.

Tag 57 (27.11.19)

Eigentlich hatte ich Gedacht, dass ich nach einem Tag wie gestern es heute ruhig angehen lasse. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Das ganze Sitzen gestern hat nach Ausgleich geschrien. Wann habe ich denn auch schon noch mal die Gelegenheit diese Umgebung hier mit dem Fahrrad zu erkunden.

So beschließe ich nach dem Frühstück, trotz des Regenwetters, mich aufs Fahrrad zu setzten und die Gegend zu erkunden. Als Ziel habe ich mir den Starnberger See gesetzt.

Ja, hier in Deutschland ist der Herbst einkehrt. Es ist deutlich kühler und die Sonne lässt sich auch nicht blicken. Doch auch dieser Jahreszeit kann ich etwas abgewinnen. So manches buntes Laub hält fest am Geäst der Bäume. Reißender Wind und drückende Regentropfen haben es noch nicht geschafft das Holzgewächs völlig nackt dastehen zu lassen.

Ich freue mich darüber die Wälder noch in ihrem herbstlichen Gewand bewundern zu können. Als ich den Starnberger See erreiche ist es wieder wie am Meer sein. Wasser hat immer eine beruhigende, magische Wirkung.
So lasse ich mich nieder, schließe die Augen und tue einfach so als wären wieder 25 Grad und Sonnenschein.

Ich fahre den gesamten Starnberger See entlang. Dabei erfreue ich mich immer am meisten über jene Abschnitte, welche nicht mit Häusern bebaut wurden. Viele schwarze Entenvögel, welche ich nicht zuordnen kann, bedecken das Wasser am Uferreich.

Regelmäßig treffe ich auch ganze Schwanfamilien an, welche von dem reichen Futtervorkommen in den lokalen Gewässern zehren.
Mein Rückweg führt mich entlang des Loisach-Isar- und des Isar-Kanals.
Ein seltsamer Anblick ist es, wenn der Kanal auf Höhe der Baumwipfel verläuft. Beeindruckend wie der Mensch es doch hier geschafft hat, den natürlichen Verlauf des Flusses hier zu beeinflussen.

Am Ende des Tages stehen 84 Kilometer auf dem Tacho. Das war eine ordentlich Runde. Ein guter Abschluss für diese Reise.

Was gibt es noch zu sagen?

Mein kleines Abenteuer ist hiermit beendet. Ein Endgültiges Fazit möchte ich erst ziehen, wenn ich die Reise ein wenig habe sacken lassen.

Vorweg möchte ich jedoch klarstellen, dass ich es nicht als Misserfolg verstehe, nicht Athen erreicht zu haben. Mir war von Anfang an klar, dass die Möglichkeit besteht, dass ich es nicht schaffe. Doch um es herauszufinden, musste ich einfach los.

Die Erfahrungen und Eindrücke, welche ich auf der Reise gesammelt habe, waren jeden Augenblick wert und machen es daher unmöglich auch nur einen schlechten Punkt aufzuführen.

Das sollen aber nicht meine letzten Worte zur Reise gewesen sein. Gebt mir etwas Zeit bevor ich abschließende Gedanken verfasse.

Die Berichterstattung dieser Reise endet hier. Wohlgemerkt. DIESER Reise.

Ganz normaler Alltag in Kroatien

Kapitel 8

„What does the coyote say?“

Hä!? Das verstehe ich jetzt nicht? Wer hat dich da denn erwartet?

Da gibt es wohl etwas Klärungsbedarf. Zu Beginn meiner Reise hatte ich es durchaus eingeplant, mir die Option offen zu halten an einem Ort länger zu verweilen, wenn ich meine ein besonders schönes Plätzchen entdeckt zu haben. Ich möchte ja auch Land und Kultur kennen lernen.

Dazu gibt es zahlreiche Portale im Internet, welche genau das Anbieten. Es wird zwischen Locals und Helfern vermittelt. Ob auf einer Farm, in einem Hostel, als Haushaltshilfe, in Unterkünften und so weiter. Es gibt Zahlreiche Angebote für Reisende Ihre Arbeitskraft im Austausch für Kost und Logis anzubieten.

Ein Gewinn für alle Beteiligten. Man kommt in Kontakt mit den Menschen, bietet seine Hilfe an, kann seine Arbeitserfahrung ausbauen und die Kultur deutlich genauer kennen lernen.

Klingt genau richtig für meine derzeitige Situation. Kroatien gefällt mir und ich komme zur Zeit eh nicht sonderlich gut voran. Meine Knie brauchen noch immer Schonfrist und es ziehen die Novemberstürme auf. Aus dem Norden die kühlen Bora-Winde und aus dem Süden die warmen Jugo-Winde.

In diesem Augenblick, wo ich diesen Text schreibe, tobt draußen ein kräftiger Jugo-Sturm. In den Nachrichten habe ich heute Abend viele Bilder aus den Küstenregionen Kroatiens gesehen, unter anderem Split, wo mit den Folgen der Stürme gekämpft wird. Es herrschen Temperaturen zwischen 18 und 21 Grad, aber es Regnet stark, Gewittert und vor allem Stürmt es. Wer nicht unbedingt raus gehen muss, bleibt an solchen Tagen lieber in seinen sicheren vier Wänden.

Ich schweife ab. In Lovište habe ich einen Host gefunden, welcher vielseitige Helfer suchte. Das klang interessant für mich um diesen aufzusuchen. Ohne genau zu klären, was auf mich zu kommt, habe ich zugesagt und meine Route an die nördlichste Spitze der Halbinsel Pelješac geplant.

Und da hat mein letzter Bericht aufgehört.

Diese Form von Arbeit bewegt sich in einer Grauzone. Ich kenne die gesetzliche Lage in Kroatien nicht, vermute aber, dass es sich diesbezüglich nicht stark von der Situation in Deutschland unterscheidet. Zum Schutz meines Gastgebers werde ich ihn nach Absprache nur beim Vornamen nennen.

Robert betreibt eines der diversen Restaurants in Lovište und bietet einige Unterkünfte und Apartments an. Innerhalb der Saison helfen die Volunteers bei der Gästebetreuung.

Ich bin außerhalb der Saison da. Arbeit gibt es trotz dem genug. Robert und seine Familie sind im Besitzer einer Farm und benötigt Hilfe beim Pflücken diverser Früchte, Beschaffung von Holz für den Grill, welcher im Sommer jeden Tag zum Einsatz kommt und diversen anderen Tätigkeiten auf dem Hof.

Nach dem ich nach meiner Tour über die Berge erschöpft angekommen bin, hat mich Robert kurz ein wenig herumgeführt. Ich sah aber scheinbar so erschöpft aus, dass wir dann doch recht zügig die Küche aufgesucht haben, in welcher seine Mutter bereits ein großes, köstliches Festmal vorbereitet hat. Ich werde seinen Eltern vorgestellt und beim Abendbrot lernt man sich langsam kennen.

Nach dem Essen drehen wir noch eine kurze Runde durch den Ort. Da es jedoch bereits dunkel ist, sieht man nicht viel. Am meisten herausgestochen haben dabei die Kojoten, welche immer wieder ihre Jaul-Gesänge angestimmt haben. Ich bin fasziniert. Das muss ich unbedingt mal aufnehmen.

Wir beide sind geschafft von unseren Tagen und beschließen alles weitere morgen zu besprechen.

Das war also meine Ankunft. Mindestens eine Woche werde ich hier bleiben und einfach das Leben an der Küste erleben.

Tag 40 (10.11.19)

Um 7 Uhr klingelt mein Wecker. Stört mich nicht, da ich schon ein paar Minuten vorher wach war. Acht Uhr sind wir zum Frühstück verabredet.

Alle gemeinsam Essen wir in der Küche zu Frühstück und Robert erläutert mir seinen Plan für den heutigen Tag. Es soll raus zur Farm gehen. Holz für den Grill sammeln.

Klingt ein wenig vertraut. Nur, dass wir dazu keine Bäume fällen müssen.

Nach dem Frühstück werden Hänger und Auto beladen und los geht es. Eine Schotterpiste führt einen Berg hoch.

Wow.

Da ist einer. Nach einer Biegung steht plötzlich ein Kojote mitten auf dem Weg. Gestern Abend noch gehört und heute sehe ich direkt einen. Er ist genauso überrascht wie wir. Robert fährt langsamer und der Kojote beobachtet uns noch kurz, ehe er wieder im dichten Gestrüpp verschwindet. Zu kurz ist der Augenblick, als das ich ihn auf einem Bild festhalten konnte. Wenigstens kann ich es in meinem Kopf abspeichern.

Es geht weiter zur Farm. Ehemaliges Nutzland wird wieder erschlossen und so fällt immer etwas dichtes Geäst an. Handschuhe an und los. Im Hänger landet alles was Brennbar ist. Holz Sammeln mit Ausblick aufs Meer. Das ist doch mal was. Bis zum Mittag haben wir den Hänger voll mit Holz und fahren wieder zurück.

Wieder in der Küche wartet schon ein üppiges Mittagessen auf uns. Mehr als ich essen kann. Doch, es schmeckt mir. Ich habe doch schon drei Teller voll gegessen. Ich kann einfach nicht mehr. Im Laufe meines Aufenthalts werde ich immer wieder zum Essen genötigt. Es ist einfach so viel. So lecker, aber wenn der Bauch voll ist, geht einfach nichts mehr rein.

Nach dem Mittag Essen geht es wieder zurück zum Holz. Robert steht an der Kreissäge und ich reiche ihm das Holz direkt vom Hänger. Die kleingeschnittenen Holzstücke stapeln wir ordentlich an einer Wand. Hey , wie lange hält denn so eine Ladung? Ach, vielleicht eineinhalb Tage.

OK, also müssen wir noch gut was holen.

Drei Uhr Nachmittags ist aber Feierabend für mich. Zu viel muss ich dann doch nicht arbeiten. Gut, dass das Meer direkt vor der Tür ist. Der Dreck und Schweiß von der Arbeit wird direkt im Meer abgespült.

Anschließend laufe ich noch eine kleine Runde durch den Ort so lange es noch hell ist. Es reicht wirklich nur für eine kleine Runde. Dann ist schon wieder Zeit zum Essen. Und wieder wartet ein reich gedeckter Tisch auf uns. Gefühlt könnte das ganze Dorf an diesem satt werden.

Wir unterhalten uns noch eine Weile nach dem Essen, bis ich dann doch noch mal raus will. Ich möchte unbedingt die Geräusche der Kojoten aufnehmen. So laufe ich durch den Ort in der Hoffnung, dass diese noch einmal mit ihrem Gesang aufwarten.

Vergebens. Sie halten sich zurück. Enttäuscht kehre ich zurück in mein Zimmer.

War ja klar. Kaum bin ich drin und habe meine Sachen abgelegt, höre ich sie draußen los legen. Na wartet ihr frechen Biester, ich erwische euch schon noch. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 41 (11.11.19)

Die Lauscher aufgespannt, klingt ungemütlich draußen. Dennoch wird pünktlich um 8 am Frühstückstisch gesessen. Was Essenszeiten angeht ist Mama sehr penibel. Mit über 80 jährigen braucht man darüber auch nicht diskutieren.

Das Wetter schränkt die Möglichkeiten heute erheblich ein. Aber treu dem Motto: Es gibt immer was zu tun. Finden wir natürlich auch heute etwas. So gehen wir in den Weinkeller und sorgen dafür, dass der Rebensaft seinen guten Geschmack behält und nicht zu Weinessig mutiert.

Ich selber bin ja kein Weintrinker, freue mich trotz dem über den Einblick in das Handwerk. Auch wenn ich letztlich nur dabei helfe, das bereits fertige Produkt zu verwalten.

Zum Mittag Essen gibt es wieder reichlich, lecker und eigentlich zu viel. Nach getanem Werk am Nachmittag fahren wir noch mit dem Boot raus um die Fischfallen zu kontrollieren. Vielleicht findet sich ja ein Abendbrot. Nicht ganz. Es ist kaum nennenswert was zusammenkommt.

Am Abend drehe ich wie üblich meine Runde durchs Dorf. Immer in der Hoffnung die Kojoten mit meinem Mikrofon aufzunehmen. Vielleicht habe ich sogar Glück und einer rennt mir vor die Linse.

Nein, leider nicht. Es bleibt dabei. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 42 (12.11.19)

Jugo will heute mal so richtig zeigen was er kann. Sich draußen Aufzuhalten ist äußerst ungemütlich. Der Vormittag wird also für ein wenig unangenehmen Papierkram genutzt. Nicht für mich, aber Robert hat da ein bisschen was schleifen lassen.

Die Regenpausen nutze ich, um ein wenig die Gegend zu erkunden. Später am Nachmittag geht es aber noch mal richtig los. Regen und Sturm. Im Vergleich zum Rest von Kroatien, kommen wir hier aber scheinbar noch gut weg.

In den Nachrichten flimmern Bilder von verschiedenen Küstenregionen in denen mit den Wassermassen gekämpft wird. In Dubrovnik wurde gar eine Welle von 11 Metern gemessen. Elf Meter! Wie misst man eigentlich die Höhe von Wellen? Wahnsinn.

Hatten wir ja noch richtig Glück hier in unserer Bucht. Am Abend und über die Nacht tobt sich Jugo auch noch mal richtig aus. Keine Chance für mich, die Kojoten zu erwischen. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 43 (13.11.19)

Die letzten Ausläufe vom Sturm ziehen dahin. Wir nutzen die Zeit noch für ein paar Indoortätigkeiten. Später am Vormittag sind vom Wind dann aber auch die letzten Wolken vertrieben und die Sonne lässt die Bucht im sommerlichen Gewand erstrahlen.

Nun heißt es Schäden beseitigen. Zum Glück ist nichts schlimmes passiert. Nur ein paar Planen hat es davon geweht und Sachen, die darunter eigentlich geschützt sein sollten, nass werden lassen. Die Gelegenheit für eine gnadenlose Entrümpelung. Robert tut sich damit jedoch etwas schwer. Es hat sich so einiges über die Jahre bei ihm angesammelt.

Aber mit ausmisten kenne ich mich doch jetzt auch. Leider kann ich ihn jedoch nicht völlig von meinen Künsten überzeugen und so wird trotz dem versucht zu retten, was auch schon vor dem Wasserschaden für den Müll bestimmt war. Ich habe mein bestes gegeben.

Am Nachmittag fahren wir noch einmal auf die Farm um neues Holz zu sammeln. Davon kann nicht genug eingelagert werden.

Den angesammelten salzigen Schweiß spüle ich mir nach der Arbeit direkt im Meer vom Leib. Ich kann doch die große Badewanne vor der Tür nicht ignorieren. Das frische Wasser bringt den Kreislauf wieder richtig in Schwung.

Heute ist auch ein weiterer Helfer namens Stefan eingetroffen. Robert begrüßt ihn schon seit 4 Jahren bei sich. Alte Bekannte also.

Das Wetter lässt es am Abend nach dem Abendbrot wieder zu, dass ich meine Streifzüge durch den Ort und Umgebung mache. Alles nur um Kojoten aufzunehmen und vielleicht zu sehen.

Eine ordentliche Tonaufnahme habe ich auch heute nicht bekommen. Aber immerhin eine Begegnung mit einem dieser scheuen Vierbeiner. Sag deinen Kollegen ruhig Bescheid: Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 44 (14.11.19)

Wetter gut, alles gut. Ein Arbeitsreicher Tag. Wieder ging es in erster Linie um Holz. Da gab es wieder eine ganze Hängerladung, welche zu Kleinholz verarbeitet werden möchte.

Neben dieser Tätigkeit wurde noch für etwas Ordnung auf dem Hof gesorgt.

Am Nachmittag ging es wieder raus zur Farm. Na? Genau, Holz holen.

Während Robert und Stefan eine Runde zum Bolzplatz sind um sich mit der Dorftruppe anzulegen, habe ich die Gelegenheit und das ruhige Wetter genutzt, um mal mit dem Kanu auf dem Meer eine Runde zu drehen.

Einfach entlang der Küste in den Sonnenuntergang. Wie gerne würde ich das einfach mal einen ganzen Tag machen. Einfach so weit ich kann und das Wetter mich lässt. Na vielleicht habe ich ja noch mal Gelegenheit dazu. Nach meiner Runde auf dem Wasser, musste ich mich natürlich auch noch in die salzigen Tiefen stürzen. Brrr.

Nach dem Abendbrot war ich voll motiviert. Heute erwische ich euch! Ich setzte mich auf meinen Hügel, welchen ich immer wieder mal während meines Aufenthalts aufgesucht habe. Ich habe Zeit. Jede Menge Zeit. Also Jungs, singt mir euer Lied.

Und tatsächlich. Heute schaffe ich es tatsächlich die Kojoten bei ihrer Abendkommunikation aufzunehmen. Was sie sich, erzählen, keine Ahnung. Aber ich habe nun Aufnahmen, welche ich gerne einem Übersetze zukommen lasse. Ob ich das noch mal schaffe? Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 45 (15.11.19)

Langsam schleicht sich Routine ein. Ein Tag der sich mal wieder voll und ganz über das brennbare Naturprodukt drehte. Schier unendlich scheint das Vorkommen auf der Farm zu sein und noch größer der Bedarf. Die kroatische Küche ist kreativ beim Umgang mit dem offenen Feuer. Zahlreiche Gerichten lassen sich schmackhaft über der Glut zubereiten. Da ist man doch gerne behilflich, dass diese Tradition bewahrt werden kann.

Während wir zur Arbeit schreiten, kann Kätzchen natürlich noch gemütlich im Körbchen schlummern.

Als wir auf der Farm sind gibt es noch einen kleinen Exkurs in die Familienhistorie. Überall in Kroatien, anderen mediterranen Ländern und darüber hinaus findet man sie: die Trockenmauern. Im Mittelmeerraum gehören sie zur Kulturlandschaft. Sie erfüllen diverse Zwecke beim Anbau von Oliven, Reisfeldern oder Weinbergen. Sie speichern die Wärme über den Tag und geben sie Nachts zurück in den Boden, sie erweitern Anbaugebiete in Steillagen. Steine gibt es an vielen Küsten im Überfluss und so haben sie Menschen diese zum Nutzen gemacht.

Die Geschichte, welche uns Robert erzählt betrifft genau so eine Steinmauer. Als Kroatien im Zweiten Weltkrieg von den Achsenmächten eingenommen wurden, musste die Bevölkerung einen Großteil ihrer Ressourcen und Nahrung zur Unterstützung der Front abgeben. Oftmals auch mehr als verträglich. Um nicht unter Hunger leiden zu müssen, hat Roberts Vater eine Höhle in der Steinmauer geschaffen und dort Nahrung versteckt. Auf dem Foto sticht sie mittlerweile durch ihre Erhabenheit hervor. Doch damals war die Mauer auf einer Ebene und zog sie wie viele andere über das Land.

Sie war damals bei weitem nicht so gut zu entdecken wie heute. Lebensmittel wurden in ihr gelagert und der Eingang wieder mit Steinen verschlossen. Es gab also zweierlei Gefahren bei diesem Vorhaben. Würde man herausfinden, dass sie Nahrung vor den Truppen verstecken, hätte das schwerwiegende Konsequenzen für die Familie gehabt. Die Angst hunger leiden zu müssen, lies den Menschen jedoch keine andere Wahl.

Unweit von dem Platz an welchem wir uns befinden, ist ein Flugzeug eines Alliierten abgestürzt. Der Pilot überlebt den Absturz und flüchtet von der Absturzstelle. Er befindet sich mitten in feindlichem Gebiet und rennt um sein Leben. Dabei begegnet der dem Vater von Robert. Dieser zögert nicht lang. Dem Vater ist egal, auf welcher Seite der Mann kämpft der vor ihm steht. Er möchte einfach nur sein Leben retten.

Der Eingang zum Versteck in der Mauer wird geöffnet und der Pilot versteckt sich in der steinernen Vorratskammer. Wieder versiegelt mit den Steinen ist die Mauer unscheinbar wie zuvor. Die Familie setzt sich nun einer noch größeren Gefahr aus. Sie halten nicht nur Nahrung zurück, sondern verstecken auch einen Mann der anderen Seite.

Soldaten durchsuchen das Gebiet nach dem Piloten. Befragen auch den Vater, doch dieser hält inne. Selbst unter dem Einsatz von Suchhunden, wird der Pilot in dem Versteck nicht ausfindig gemacht. Als es Nacht wird öffnet der Vater wieder den Zugang zum Versteck. Im Schutze der Dunkelheit setzt der Pilot seine Flucht fort. Was aus ihm geworden ist, bleibt unbekannt.

Diese Geschichte hat mich noch den ganzen Tag und darüber hinaus beschäftigt. Sie zeigt auf so vielen Ebenen den Wahnsinn von Krieg. Krieg schafft Situationen, in denen Menschen auf Befehl töten und andere wiederum sich selbst in Gefahr bringen, um anderen zu helfen. Gibt es einen Krieg, der jemals gutes bewirkt hat? Der der Gemeinschaft zu nutzen kam und nicht nur einzelnen Kriegstreibern? Aus meiner Sicht, gibt es kein Argument welches töten unter Menschen rechtfertigt. Krieg ist das Krebsgeschwür der Menschheit, gegen das es noch kein Heilmittel gibt.

Gedanken wie dieser kreisen mir durch den Kopf, während wir unser Arbeit auf der Farm und später nachgehen.

Am Ende des Arbeitstages gibt es wieder den gang in die offenen Wellen. Zumindest in jene, welches bis in die Bucht schaffen.

Den ganzen Tag hat sich Jugo immer mal wieder mit kleinen Schauern angekündigt. Am Abend kehren auch wieder die ersten stärkeren Winde ein. Für mich die Gelegenheit endlich mal wieder etwas am Computer zu arbeiten, ehe ich das Erlebte alles wieder vergesse. Will ich doch für genug Lesestoff sorgen.

Kann ich doch gleich noch mal die Aufnahmen der Kojoten von gestern anhören. Bin ich damit zufrieden? Hm... vielleicht nehme ich sie doch noch mal auf. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 46 (16.11.19)

Nach dem ich die letzten Tage bei jeder Arbeit geholfen habe die mir Robert aufgetragen hat, war heute mal Zeit für einen freien Tag. Es fühlt sich seltsam an. Während Robert und Stefan nach dem Frühstück wieder los ziehen um sich an die vielen Aufgaben zu machen welche hier anfallen, kümmere ich mich um meine Freizeitgestaltung.

Bis jetzt habe ich noch nicht so viel von der Umgebung von Lovište gesehen. Also beschließe ich mich aufs Fahrrad zu setzten und einen Runde zu drehen. Vielleicht habe ich ja Glück wie am ersten Tag und begegne wieder einem Kojoten.

Die Hügel und Berge rund um Lovište sind übersät mit Farmen auf welchen vorwiegend Oliven, aber auch Wein angebaut wird. Immer wieder erhasche ich einen guten Ausblick, welcher mir einen schönen Blick auf die See oder Lovište verschafft. Ich finde Spuren von Kojoten und Wildschweinen, treffe aber leider keines der Tiere an. Dazu bin ich dann wohl doch zu laut. Oder stinke zu sehr.

Bei meinem umherstreifen vergesse ich etwas die Zeit, Oh verdammt, gleich Zwölf Uhr, schnell zurück. Das Mittagessen steht schon bereit und Verspätung beim Essen wird nicht gern gesehen.

Zurück steht mal wieder ein deftiges Essen bereit. Roberts Mutter zaubert jeden Tag zwei großartige, warme Mahlzeiten aus dem Hut. Falls ich die letzten Wochen an Gewicht durch die Reise verloren haben sollte, gibt es hier genug zu Essen um die Knochen wieder unter einem sicheren Speckpolster zu verstecken. Vielleicht nicht so schlecht, wenn doch der kalte Winter in Deutschland bei bei meiner Rückkehr auf mich wartet.

Nach dem Mittag wird kurz in Ruhe verdaut. Robert und Stefan sind wieder am Ackern und ich überlege kurz, was ich am Nachmittag mache. Es ist wieder etwas stürmisch. Aber ich habe schon Lust, noch einmal die Küste mit dem Kanu zu erkunden. Ich wäge kurz ab, wie gefährlich das sein könnte.

Ach was solls. Badehose an und rein ins Boot. Entlang der Küste wird es schon gehen. So ist es auch. In den Buchten kann ich mich recht entspannt fortbewegen und an den Spitzen muss ich ordentlich gegen Wind und Wellen paddeln. Bei einer Welle hatte ich kurz das Gefühl mich würde es umkippen, aber letztlich ging doch alles gut und ich konnte mich immer weit genug von den Felsen entfernt halten.

An diese Art der Fortbewegung könnte ich mich gewöhnen. Kann ich nicht gleich weiter paddeln bis Griechenland?

Nach meiner Tour sind auch Robert und Stefan fertig mit ihrer Arbeit. Heute lasse ich mich auch dazu breit schlagen mit zum Fußballplatz zu kommen. Ich habe zwar kein passendes Schuhwerk, aber irgendwie wird es schon gehen.

Über den Tag hat Robert zwar versucht die Dorfjugend zu mobilisieren, aber diesmal ist niemand gekommen. Nur ein paar Kinder und später auch ein Freund von Robert, welcher auch der Bürgermeister von Lovište ist, kommen noch dazu und wir machen eine kleine spaßige Partie. Meine unnachahmlichen Fußballskills sorgen natürlich für offene Kinnladen auf dem Platz. Als würde man einem Produkt zweier Fußballikonen und einem Stein zusehen. Zum Glück gibt es keine Aufnahmen, welche jemals das Gegenteil beweisen können. Es wird immer nur Aussage gegen Aussagen geben.

Nach dem Fußballchaos wird eine Abkühlung im Meer gesucht. Der Luxus das Meer vor der Haustür zu haben ist einfach unbezahlbar. Das Geräusch der Brandung, die gute Luft und stetige dieser leichte Geschmack von Salz auf den Lippen. Einfach Großartig.

Natürlich wartet nach der ganzen Anstrengung wieder ein üppiges Abendmahl auf uns. So viel, so lecker.

Nach dem Essen ziehen Stefan und ich noch eine Runde durch den Ort. Holen uns beim Dorfladen von je zwei Biere und laufen einfach herum und quasseln über alles mögliche. Am Abend wird dann im Wohnzimmer der Eltern von Robert gemeinsam das Spiel Kroatien gegen die Slowakei geschaut. Nach einem Sieg von 3 zu 1 bleibt die Stimmung zum Glück gut.

Danach bin ich aber so müde, dass ich im Bett direkt einschlafe.

Tag 47 (17.11.19)

Über Nacht hat es noch mal ordentlich geregnet. Am Morgen kommt dann aber doch endlich mal wieder etwas Sonne durch. Meine Gelegenheit mal ein paar meiner Sachen zu waschen. Durch die Arbeit hat sich doch gut Dreck in den Fasern angesammelt. Einfach verbrennen geht auch nicht, da ich nicht so viele Kleidungsstücke dabei haben. Was da ist, muss gepflegt werden.

Da heute Sonntag ist und Robert auch mal ein wenig Erholung benötigt, ist für alle heute ein freier Tag. Ich nutze den Vormittag um meine weitere Reise zu planen. Da das Wetter aber so gut ist, mache ich wenigstens eine kleine Runde in die Umgebung.

Irgendwie ist der Vormittag dann auch wieder um und alle sitzen pünktlich um 12 am Mittagstisch. Zur Verdauung schaue ich wieder etwas rum, wie es bei mir weiter gehen soll. Ganz die Füße still halten kann ich aber auch nicht und so beschließen Stefan und ich noch einmal gemeinsam die Gegend zu erkunden.

Blickt man aufs Meer, scheint dort ein straffer Wind zu peitschen. Lass uns doch mal auf eine Ausbuchtung gehen und diesen bei eigenem Leibe spüren. Durch die Hügel und Olivengärten zwängt sich ein kleiner Weg welcher uns bis ans Meer führt.

Tatsächlich, der Wind ist hier deutlich straffer als bei uns in der Bucht. Die Wellen peitschen gegen die Felsen und verflüchtigen sich als feiner Nebel in der Luft. Wir bleiben dort eine ganze Weile und genießen einfach dieses Naturschauspiel.

Später streifen wir noch umher. Dabei immer die Uhr im Blick. Mama Robert darf nicht verärgert werden, wenn sie schon extra für uns alle auftischt.

So geht dann auch ein schöner letzter Tag in Lovište zu Ende. Morgen soll noch mal so gutes Wetter werden. Da muss ich einfach weiter. Am Abend plane ich den morgigen Tag und das Ziel, räume ein paar Sachen zusammen und gehe zeitig schlafen.

Tag 48 (18.11.19)

Wie versprochen strahlt heute die Sonne an einem blauen Himmel. Trotz dem ist dies ein schwerer Morgen. Ich war zwar nur eine Woche hier, hatte aber eine so gute Zeit, dass ich es schon traurig finde, heute wieder zu gehen.

Obwohl ich alle Zeit der Welt habe und eigentlich noch bleiben könnte, will ich aber irgendwie auch weiter. Wer weiß, vielleicht komme ich ja irgendwann wieder.

Ich bin extra zeitig aufgestanden um meine Fähre von Orebić aus zu bekommen. Auch Robert und Stefan sind sehr Früh schon aktiv, da sie aufs Meer raus fahren um die Netze einzuholen, welche Robert gestern Abend noch ausgelegt hat.

Kurz nach um Acht treffen wir uns alle am Frühstückstisch. Noch einmal gemeinsam Essen. Der Fang am Morgen scheint reichlich zu sein. Möchte ich nicht doch noch länger bleiben? Nein, der Entschluss steht fest. Heute geht es weiter.

So packe ich nach dem Frühstück noch den Rest zusammen und belade das Fahrrad. Während dessen schallert fetzige, laute Musik durch die Boxen am aus dem Restaurant und Robert und Stefan sammeln die Fische aus den Netzen. Die Arbeit sieht meditativ aus, doch die Musik aus dem Radio sagt eher: Schwing die Hüften BayBay. Dann noch bei diesem tollen Wetter.

Der Abschied lässt sich trotz dem nicht verhindern. Ein letztes gemeinsames Gruppenbild, um die Erinnerung an die schöne Zeit, an diesem wunderbaren Ort, mit diesen wundervollen Menschen festzuhalten. Danke für Alles.

Dann ist es an der Zeit für mich mal wieder in die Pedale zu treten. Der kleine Ort ist schnell verlassen und ich...

...oh nein, dieser abartige, wahnsinnige Anstieg. Da ist er wieder. Bei der Anreise hatte ich schon Angst, diesen wieder hoch zu müssen und jetzt ist es so weit. In eineinhalb Stunden kommt die Fähre von Orebić nach Korčula Stadt. Die ersten Meter quäle ich mich noch so hoch. Dann wird der Anstieg aber zu steil und ich muss schieben. Schon fließt mir wieder das salzige Wasser in strömen von der Stirn. Als hätte ich schon 30 km vollster Anstrengung hinter mir. Dabei sind es noch nicht mal 2 Kilometer und ich keuche schon wieder. Schleppend geht es immer weiter nach oben und die Zeit rennt. Das wird echt knapp.

Es dauert eine Stunde bis ich den Anstieg endlich geschafft habe. Noch 30 Minuten bis die Fähre kommt. Das wird knapp. Trotz dem möchte ich unbedingt noch einen kurzen Stopp in dem Dorf Nakovanj einlegen. Ein kleiner Ort in den auf dem Berg hinter Lovište. Robert hatte von diesem erzählt. Auf der herfahrt bin ich einfach dran vorbei.

Dabei handelt es sich hierbei um ein typisch altertümliches Dorf, in der klassischen mediterranen Steinoptik. Heute lebt hier keiner mehr. Nur im Sommer finden hier ab und an Festspiele statt.

Das will ich mir doch wenigstens mal kurz ansehen.

Ganz unbewohnt scheint es jedoch nicht zu sein. Aus einem der Häuser steigt Rauch von einem Ofen auf. Von außen wirkt das Haus nicht bewohnt und die anderem Ort noch weniger. Ein stolper ein wenig auf den Mauern umher.

Bei meinem Streifzug entdecke ich mal wieder eine kleine Katze. Eine elendige Seele, welche wieder beweist, dass Kastrationen von Streunern dringend notwendig sind.

Ihr Zustand ist so schlecht, dass ich überlege wie ich sie mitnehmen kann. Aber was dann? Wo finde ich hier einen Tierarzt? Oder nehme ich sie dann mit nach Deutschland? Wie soll ich sie auf meinem Fahrrad transportieren. Ihr Zustand ist so schlecht, dass ich daran zweifel, dass sie einen Transport auf meinem Fahrrad überlebt.

So leid es mir um diese Seele auch tut, ich beschließe meinen Weg fortzusetzen und sie zurückzulassen. Moralisch stelle ich mein Handeln dabei selbst in Frage und denke auch noch Tage danach über diese Situation nach.

Am Aussichtspunkt von dem Weg, welcher wieder die Abfahrt einleitet, treffe ich einen deutschen Urlauber. Dies war leicht für mich zu erkennen an seinem deutschen Kennzeichen. Wir kommen kurz ins Gespräch. Er ist Rentner und kommt jedes Jahr mindestens 2 mal hier her. Selbst ist er auch Radreisender und unternimmt regelmäßig Touren mit einem Freund. Er legt mir den Brennerpass ans Herz. Er schwärmt von dem wunderbar ausgebauten Radweg, welcher auf einer alten Bahnstrecke gebaut wurde. Das merke ich mir doch mal vor.

Die Fähre kann ich nun endgültig vergessen. Ich muss also wieder eineinhalb Stunden warten bis die nächste kommt. Ich gehe zu einem Supermarkt, hole mir eine Kleinigkeit zum Essen und zu trinken und setze mich ans Ufer am Hafen.

Die Auswirkung vom Sturm der letzten Tage sind hier deutlicher zu beobachten als in der abgeschirmten Bucht in Lovište. Entspannt genieße ich die Sonnenstrahlen bis die Fähre 13 Uhr kommt.

Die Überfahrt nach Korčula dauert kaum 30 Minuten. Trotz dem ist der Tag schon recht fortgeschritten und bis zu meinem Ziel in Vela Luka sind es noch 45 Kilometer und die Strecke ist äußerst anspruchsvoll.

Nach wenigen Kilometern beschließe ich mein Glück am Busbahnhof von Korčula Stadt zu versuchen. Ich hatte mich eigentlich auf die Radfahrt über die Insel gefreut. Aber zeitlich habe ich keine Chance noch bei Tageslicht Vela Luka zu erreichen.

Ich habe Glück, ein Bus kommt in nur 15 Minuten. Nun muss ich nur noch klären, ob ich auch mein Fahrrad in diesem mitnehmen kann. Eine Horde Schulkinder steht auch schon breit um den Bus zu nehmen.

Als dieser vorfährt spreche ich den Busfahrer an. Glück gehabt. Kein Problem. In der Lagerfläche vom Bus ist genug Platz für mein Gepäck und das Fahrrad. Also setzte ich mich in den vollen Bus. Alles Schulkinder und eine Handvoll ältere Menschen.

Etwas über eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Bus über die gesamte Insel bis Vela Luka. Während der Fahrt kann ich nicht aufhören aus dem Fenster zu starren. Die Strecke eröffnet immer wieder faszinierende Ausblicke über das offene Meer und die Insellandschaft. Wirklich schade, dass ich diese Strecke nicht selbst fahren kann.

Doch die Anstiege, welche der Bus zurücklegt, sind wirklich extrem. Es geht die ganze Zeit immer wieder auf und ab. Ich kann gar nicht einschätzen, wie viele Stunden ich für diese Strecke benötigt hätte. Wahrscheinlich hätte ich bis 21 Uhr gebraucht um in Vela Luka anzukommen.

Auf diese Weise bin ich schon 15 Uhr dort und kann auch direkt meine Unterkunft beziehen. Ohne groß meine Sachen auszupacken schwinge ich mich wieder aufs Rad um die wenigen verbleibenden Minuten bei Tageslicht zu nutzen um den Ort zu erkunden.

Bis es dunkel ist bin ich noch unterwegs. Unterwegs auf einer richtigen Insel. Wieder halte ich mich größtenteils an der Küste. Immer den Blick aufs Meer.

Was habe ich mir da nur all die Jahre entgehen lassen. So ein Leben auf Reise, ich hätte nicht geglaubt, dass es so gut tut. Ich habe mich in den paar Wochen schon so daran gewöhnt, dass all meine Sache, welche in der Heimat eingelagert sind überhaupt nicht vermisse. Alles was ich brauche habe ich bei mir. Wahrscheinlich sogar mehr.

Ich bin so unendlich froh diesen Schritt gewagt zu haben, alles aufzulösen und einfach loszuziehen.

Es ist nie zu spät, bis du tot bist.

Meer sehen

Kapitel 7

„Gemächlich kommt auch weit.“

Tag 33 (03.11.2019)

Ich müsste mich wohl noch ein ganzes Stück dem Äquator nähren, um keine Regentage mehr zu haben. Die Erde braucht ihr Wasser um den Pflanzen wieder Kraft zu geben und ich kann die Zeit wieder produktiv nutzen um das Internet mit meinem Quatsch vollzumüllen. Daher sehe ich das nicht als Problem.

Nach getaner Arbeit bleibt immer noch genug Zeit für meinen Weg zum Strand um wenigstens so zu tun als würde ich schwimmen. Eigentlich treibe ich nur an der Wasseroberfläche und schaue den Fischen zu wie sie ebenso beim Wellengang hin und her wabern.

Am Abend habe ich mich noch mit meinem Vermieter zusammen gesetzt. Er hatte viel zu erzählen über die durchwachsene Zeit im Balkan, seine Zeit auf See und als Gastarbeiter in Deutschland. Es ist erstaunlich, wie wenig man doch über den Balkan und seine Geschichte weiß. Dabei liegen diese Kriege keine 20 Jahre zurück. Zum Abschluss gab es noch selbst gebrannten Walnusslikör.

Živjeli

Tag 34 (04.11.2019)

Durch einen lauten Geräuschpegel von draußen, verursacht durch starken Regen und Wind, werde ich geweckt. Ich beobachte das Schauspiel bis ich wach genug bin um den anstehenden Aufgaben nachzugehen. Es wird Zeit die Sachen zusammenzupacken. Eine ordentliche Portion Haferbrei mit Obst soll mir als Stärkung für die heutige Etappe dienen.

Bis ich fertig bin und los kann, hat es auch aufgehört zu regnen und ich kann meine Regenschutzkleidung im Rucksack lassen.

Die heutige Tour soll mich entlang der adriatischen Küste nach Makarska führen. Eine entspannte Strecke von ein wenig mehr als dreißig Kilometer. Ich möchte mich lieber weiter schonen ehe ich wieder unnötige Probleme bekommen.

Als ich das Fahrrad bepacke, merke ich, dass mein Hinterrad nicht ganz rund läuft. Ich versuche es nachzujustieren, dabei schaffe ich es doch tatsächlich mit meiner bärenstarken, unermesslichen Kraft, mein kleines Multitool zu zerbersten. Gehen wir aber wohl besser von minderer Qualität des Werkzeuges aus. Aber gut, bleibt mir nichts übrig als mit dem schleifenden Rad bis nach Makarska zu fahren und mir dort einen Baumarkt oder Fahrradladen zu suchen. Wird schon gehen.

Voll bepackt rolle ich auch schon wieder los. Das Problem mit dem Fahrrad ist vergessen als ich einfach den Blick aufs Meer genießen kann, während sich die Strecke an der Küste entlang windet. Hier macht sich auch wieder bemerkbar, wie angenehm es ist, außerhalb der Saison unterwegs zu sein. Die Straße ist durch wenig befahren. Lediglich der ein oder andere LKW Fahrer nimmt es nicht so genau mit dem Sicherheitsabstand beim Überholvorgang. Kurz geflucht und wieder die Aussicht genossen. „Und jetzt hinsetzten und niesen, Natur genießen.“

Am frühen Nachmittag erreiche in Makarska. Ich bringe meine Sachen in die Unterkunft und begebe mich direkt wieder los einen Baumarkt suchen. Ein wenig Google, ein paar Leute befragen und schon bin ich an dem Ort, welcher alles bereit hält, was ich brauche um mein Rad wieder rund laufen zu lassen. Na gut, fast alles. Neue Bremsbeläge haben sie nicht.

Mit meinem nigelnagelneuen Werkzeug begebe ich mich zum Strand um dort meine Skills bei der Fahrradreparatur zur Show zu stellen. Ach verdammt, stimmt ja. Außerhalb der Saison. Es ist niemand da, der mich bei meinem handwerklichen Geschick beobachtet und aus zweiter Reihe zujubelt. Dann bleiben also nur der Sonnenuntergang, das Meeresrauschen, mein Fahrrad und ich. Klingt eigentlich ganz OK.

Es dauert auch nicht lang und ich kann das Fahrrad endlich mal zur Seite stellen und die Gegend erkunden. Bevor ich dies jedoch mache, muss ich natürlich noch etwas wichtiges tun.

Der Gang ins kühle Nass. Wenn das Meer schon vor der Türe ist, fühle ich mich einfach dazu genötigt und verpflichtet dieses auch zu nutzen.

Ausgerüstet mit Badehose, Badeschuhe, Taucherbrille und Handtuch stolziere ich zum Strand um mich in die wilde Brandung zu werfen. Die Wellen peitschen Kopfhoch an meine Knie. Brrr kalt. Rein da, ich will mich nicht blamieren. Vor mir selbst. So ziehe ich meine Runden in den Weiten des Meeres.

Nachdem ich mich wieder umgezogen habe ziehe ich noch eine Runde durch die Stadt Makarska. Morgen bin ich ja noch einen ganzen Tag hier. Also nehme ich mir nicht zu viel vorweg und beschränke meinen Rundgang auf den Hafenbereich, ehe ich wieder zur Unterkunft zurück kehre.

Tag 35 (05.11.19)

Der Wetterbericht hat für den Nachmittag Sturm und Regen angesagt. Also habe ich beschlossen schon zeitig los zu ziehen um mir einen Eindruck von der Umgebung zu machen. Makarska liegt in einer Bucht umgeben von einer wunderschönen Naturlandschaft. Ins Landesinnere zieht sich der Biokovo Naturpark, am nördlichen Teil der Bucht der kleine St. Peter Waldpark und vom Südlichen Teil der Bucht zieht sich der Osejava Waldpark. Klingt, als gäbe es so einige schöne Spots zu sehen. So drehe ich den ganzen Tag meine Runde am Meer entlang und bestaune immer wieder die schönen Aussichten, welche sich auf der Strecke hervortun.

Auf einem kleinen Hügel im St. Peter Waldpark kommen plötzlich aus allen Ecken und Büschen Katzen hervor und stürmen auf mich zu. Ich erschrecke kurz und sie bleiben stehen. Beobachten mich. Ich beobachte sie, zücke meine Kamera: Knips.

OK, dieser Hügel gehört euch und offensichtlich denkt ihr, dass ich euch Futter bringe. Sorry Leute, ich habe nichts für euch. Immer diese Katze hier überall. ÜBERALL.

Bei meiner Wanderung behalte ich immer den Wetterprognose im Auge. In erster Linie beobachte ich aber einfach, was über mir geschieht. Es ist stark windig, aber regen bleibt aus. Kein Grund meinen Rundgang abzubrechen und in sichere Gemäuer zu fliehen. So streife ich umher bis es dunkel wird ehe ich mich wieder langsam zurück ziehe und den Tag ausklingen lasse.

Tag 36 (06.11.19)

Nach dem kurzen Ruhetag gestern, geht es heute auch schon weiter. Wieder ist nur eine kurze Route angesetzt. Einfach weiter entlang Küstenstraße. An einer Stelle ist die Straße den Hang herabgesackt. Nicht auszumalen was passiert, wenn man sich genau zu einem solchen Zeitpunkt auf einem solchen Abschnitt befindet.

Nicht einmal 30 Kilometer beträgt die geplante Strecke. Schon 13 Uhr erreiche ich mein Ziel in Drvenik.

Glücklicherweise kann ich mein Zeug schon in der Unterkunft abladen. Da ich so zeitig da bin, bleibt noch genügend Zeit um das kleine Dorf bei Tageslicht zu erkunden. Wieder ziehe ich meinen Weg entlang am Meer. Und na klar. Überall verstecken sich immer Katzen. Mal scheu, mal zutraulich.

Tag 37 (07.11.19)

Diesmal verzichte ich auf einen Ruhetag und setzte meine Tour Richtung Süden fort. Heute stehen mir noch weniger Kilometer bevor als gestern. Um nicht wieder zu früh an meinem Ziel anzukommen, beschließe ich mir mehr Zeit auf der Strecke zu lassen und kleinere Hotspots am Wegesrand mitzunehmen. Ich weiche immer mal wieder von der Landstraße D8 ab, um einen kleinen Umweg durch die Ortschaften zu nehmen.

Was mir die gesamte Strecke schon auffällt, sind die Vielzahl an Zeichen der Trauer am Straßenrand. Sie Mahnen mich immer wieder, stets Aufmerksam und Vorsichtig auf meinem Weg zu sein.

Das besondere an der heutigen Strecke ist, dass sie nicht komplett an der Küste entlang führt, sondern einen kleinen Abstecher ins Innenland macht, bevor sie Ploče erreicht.

Gegen den beginnenden Regen schütze ich mich mit meiner Wasserdichten Kleidung und kann mich so auf die Abwechslungsreiche Landschaft konzentrieren.

An einem Rastplatz mit Blick auf die Bacina-Seen mache ich einen längeren Stopp. Die Aussicht ist trotz starken Regen einfach zu schön um einfach dran vorbei zu fahren. Es gibt einen kleinen Stand, an welchem eine Frau eigen produzierte Waren verkauft welche aus eigenen Früchten herrgestellt wurden. Liköre, Marmeladen, Honig, Früchte selbst und wahrscheinlich noch mehr.

Ich frische meinen Vorrat an Obst auf und wir kommen ins Gespräch. Sie erzählt mir etwas über ihre Familie und der allgemeinen Lage in Kroatien. In der Zwischenzeit kommt ein Schwall Starkregen auf die Erde niedergestürzt. Gut, dass ich im trockenen stehe.

Als neue Kundschaft kommt und der Regen aufhört setzte ich meinen Weg vor. Es sind nur noch wenige Kilometer bis zur Unterkunft und so erreiche ich sie nur wenige Minuten später.

Ich werde äußerst freundlich empfangen mit Kuchen und frischen Obst. Hätte ich gar nichts kaufen brauchen.

Wie immer erkunde ich nach meiner Ankunft noch kurz die Gegend in Laufnähe und hole mir dann etwas zum Abendbrot. Ploče selbst erkundige ich morgen, da habe ich wieder einen Ruhetag.

Tag 38 (08.11.19)

Was ist das denn? Ich habe diesen Ruhetag eingeplant, da mir zu Beginn der Planung gesagt wurde, heute soll schlechtes Wetter werden. Was bekomme ich, strahlenden Sonnenschein.

Damit kann ich leben. Ploče ist eine Hafenstadt welche sehr industriell wirkt. Ein kleiner Ort welcher besonders durch seine geografische Lage hervorsticht.

Ich drehe meine Runde durch Stadt und Hafen. Am Port fällt mir sofort wieder die Vielzahl an Katzen auf, welche in den Büschen herumstreunern. Wenn ich so etwas sehe, stellt sich mir auch nicht die Frage, ob eine Kastration von Streunern Tierquälerei ist oder nicht. Denn ich bin mir sicher, dass die Anzahl verhungernder Katzenbabys in den Büschen enorm hoch ist. Das ist wirklich Qual. Dann doch lieber kastrieren.

Mein Weg führt mich nun raus aus der Stadt, in Richtung der Seen, welche ich gestern schon überblicken konnte. Nach dem mich die letzte Tage das Meer begleitet hat, will ich nun auch mal den Süßwasservorkommen des Landes meine Aufmerksamkeit schenken.

Wie sich das wieder lohnt. Alle paar Meter finde ich Plätze, welche zum verweilen einladen.

Ich möchte meine Runde heute jedoch nicht zu sehr ausdehnen und beende sie am Nachmittag um mich für morgen zu schonen. Dort erwartet mich eine etwas längere Etappe, welche besonders mal wieder durch ihre Höhenmeter heraussticht. Der Plan für die Fahrzeiten der Fähre ist beschafft. Ich bin bereit.

Tag 39 (09.11.19)

Die größte Besonderheit, welche mich heute erwartet, ist die Fahrt mit der Fähre. 11 Uhr am Morgen soll sie starten. 10 Uhr verlasse ich meine Unterkunft und begebe mich zum Hafen. Der Weg ist kurz und ich habe noch genug Zeit meinen Wasservorrat für die Fahrt aufzustocken. Mein Gefühl sagt mir, dass ich es brauchen werde.

Die Beschilderung am Hafen ist selbsterklärend. Ein Ticket für die Fähre ist schnell besorgt. Ein paar Minuten muss ich noch warten, ehe das Fährschiff frei gegeben wird.

Ich bin der einzige Fahrradfahrer. Wie immer. Viele der Passagiere suchen direkt das innere des Schiffes auf. Ich bleibe natürlich an Deck. Die kurze Überfahrt will ich in vollen Zügen genießen und die stürmische Seeluft am eigenen Leib spüren.

Pünktlich legen wir ab und stechen in See. Ahoi!

Auf offener See peitscht mir der Wind ordentlich um die Ohren und bringt mich das ein oder andere mal ins Wanken. Auf der Häfte der Strecke von Ploče nach Trpanj sieht man in der Ferne ein Gewitter ziehen. Genau dort, wo ich hin will. Zum Glück zieht es weiter.

Auf der Halbinsel Pelješac sehe ich wie sich die Berge auf tun. Diese sind verantwortlich für die Höhenmeter, welche ich heute passieren muss. Na hoffentlich bleibt wenigstens das Wetter stabil.

Es dauert keine Stunde und wir legen in Trpanj an. Nun bin ich also wieder gefragt. Rauf aufs Fahrrad und los. Ziel: Lovište.

Kaum bin ich aus dem Ort raus, beginnt auch schon die Steigung. Sie ist in sofern akzeptabel, dass sie nicht zu steil ist und ich mich langsam, vor mich hin fluchend, hinauf kämpfen kann.

Gefühlt zieht sich das wieder ewig. Ich brauche über eine Stunde, bis ich endlich am Scheitelpunkt ankomme. Dafür soll es das auch gewesen sein. Ich glaube es stehen mir keine weiteren großen Steigungen bevor.

Die Abfahrt beginnt und es tut sich nach nur wenigen Metern ein atemberaubender Blick über das Adriatische Meer auf. Die großen und kleinen Insel liegen wie schlafende Riesen auf der Meeresoberfläche. Am weit entfernten Horizont meine ich auch schon die Küste von Italien zu erkennen. Bei einem späteren Gespräch mit einem Kroaten den ich treffe, wird dies jedoch angezweifelt. An guten Tagen, ist dies möglich, doch heute ist nicht so ein guter Tag.

Ich nehme das fürs Erste so hin. Ändert ja nichts daran, dass die Aussicht einfach grandios ist.

Nach einer langen Abfahrt mit fantastischen Panoramen führt mich die Straße entlang der Westküste durch Orebić. Der größte Ort der Halbinsel. Von Gewittern ist nur etwas in der ferne zu hören. Da wo ich bin, ist jedoch nur Sonne. Denkt euch euren Teil.

Nur noch 8 Kilometer. Gleich geschafft. Ha Ha, denkst du! Was ist das? Wieder eine Steigung? Und

was für eine! Ich denke es kommt heute keine mehr. Wie sehr ich doch so etwas hasse, am Ende eine Tour.

Langsam, sehr langsam. Schieben. weiter fahren, schieben, Pause, trinken, schieben, fahren. Ich bin völlig am Ende. In der Ferne sehe ich einen Aussichtspunkt, welchen ich mir als Endpunkt dieser ganzen Qual erhoffe.

Ein Auto steht dort oben. Als ich ihn erreiche springt ein großer Schäferhund ähnlicher Hund aus dem Kofferraum um stürmt auf mich zu. Ruhig Brauner. Zum Glück nur große Klappe. Nicht wirklich. Der Besitzer pfeift ihn zurück und wir kommen ins Gespräch.

Ein Filmproduzent, geboren in Kroatien, lebt aber auch in Kanada und wechselt immer wieder zwischen den Ländern. Es ist Wahnsinn, welche spannenden Menschen man auf einer solchen Reise immer wieder trifft.

Er erzählt mir, dass die Engstelle zwischen der Halbinsel Pelješac und der Insel Korcula eine der bekannteste Spots der Welt für Windsurfer ist. Der Engpass zwischen den Inseln wirken wie ein Kanal für die Winde, so dass diese hier besonders gut für entsprechende Sportarten geeignet sind. Im Sommer ist hier alles voll mit Segeln. Wie kleine Schmetterlinge tummeln diese sich dann auf dem Meer.

Da es langsam dunkel wird muss ich meinen Weg jedoch fortsetzen. Das ich für die paar Kilometer so lange brauchen würde, hätte ich wahrlich nicht gedacht. Selbst nach diesem Aussichtspunkt setzt sich der Anstieg fort. Ernüchterung.

Zum Glück ist es aber ein Naturgesetz, dass es wenn es hoch geht, es auch wieder runter gehen muss. Ist es ein Naturgesetz? Zumindest trifft es bis jetzt auf meiner Reise immer zu.

Und so auch hier. Es geht endlich wieder runter. Aber verdammt, sehr steil. Die Bremsen werden auf den letzten 2 Kilometern noch einmal einem absoluten Härtetest unterzogen.

Die Abfahrt endet genau im Dort. Endlich. Lovište. Hier werde ich nun also mindestens eine Woche verbleiben.

Ich fahre langsam den Hafen entlang auf der Suche nach der richtigen Adresse.

Da kommt auch schon ein Mann um die Ecke:

„Andreas. Du hast es geschafft! Ich habe mir schon sorgen gemacht...“

Ja. Da bin ich. Fix und fertig.

Endlich geht es wieder bergab

Kapitel 6

„Die Welt ist schön und der Mensch ist überall gleich dumm.“

Tag 28 (29.10.2019)

Tage wie diesen, gibt es seit Beginn meiner Reise immer mal wieder. Die meiste Zeit des Tages sitze ich einfach nur am Laptop, schreibe Texte wie diesen und bearbeite die Fotos, welche ich in den letzten Tagen geschossen habe.

Ich mag diese Tage, da ich sie dazu nutzen kann die vergangen Erlebnisse noch einmal zu rekapitulieren und diese Reise besser in meiner Erinnerung abspeichern kann. Es passieren jeden Tag kleine Dinge, welche man im Vorbeigehen noch keine Richtige Beachtung geschenkt hat, sie später aber wieder ins Gedächtnis ruft und sie so an Bedeutung gewinnen.

Wie heißt es doch so schön?

Es sind die kleinen Dinge im Leben...

… die das Leben lebenswert machen.

… auf die es ankommt.

… die zählen.

… die Freude machen.

Unzählige Sprüche und Metaphern weisen darauf hin, unscheinbares mehr Bedeutung zukommen zu lassen. Kleinvieh macht auch Mist.

Damit nun aber genug der Pseudoweisheiten.

Erst als es schon dunkel wurde habe ich die Zeit gefunden, meinen allabendlichen Rundgang durch die Altstadt von Split zu machen. Eine Runde am Hafen und am Ufer entlang, tröstete darüber hinweg, dass ich heute nicht einmal im Meer baden war.

Tag 29 (30.10.2019)

Heute ist mein letzter Tag in Split bevor es morgen weiter geht. Zur Abwechslung mal ein grauer, regnerischer Tag. Das sei jedoch verziehen Ende Oktober. Außerdem kann ich Tage wie diesen, seit meiner Ankunft in Bratislava an einer Hand abzählen. Damit hatte ich wahrlich nicht gerechnet, als ich mich Anfang Oktober aufs Rad gesetzt habe um diese Reise anzutreten.

Auch bei solchem Wetter lasse ich es mir nicht nehmen, am Hafen und am Ufer entlangzulaufen um den Blick aufs Meer und die herein wehende Brise zu genießen.

Den weiteren Tag habe ich genutzt um noch mal, bis her unerforschte Ecken der Altstadt zu erkunden. Obwohl der historische Stadtkern von Split eigentlich recht überschaubar ist, finde ich dennoch immer mal wieder Gassen und Winkel, in denen ich bis her noch nicht entlang geschlendert bin. Rund um die Kathedrale und den alten Klostergemäuern bin ich heute fündig geworden. Bevor ich mir aber wieder lyrisch wertvolle Beschreibungen für das Gesehene einfallen lasse, mache ich es mir einfach und lasse die Bilder sprechen, welche auch gleich den Abschied von Split darstellen.

Warum sehen Katzen eigentlich immer aus, als würden sie gleich etwas fieses machen?

Tag 30 (31.10.2019)

Reformationstag. Halloween. Alles Papperlapapp. Vom Feiertag ist hier nichts zu spüren. Meine Verkleidung sind einzig heute meine Fahrradsachen und mein schwer bepackter Drahtesel. Irgendwie hat sich während meiner Woche in Split ganz schön was angesammelt. Die Taschen wirken schwerer als sonst. Darum kümmer ich mich dann, wenn ich in meiner nächsten Unterkunft bin.

Die Tour heute ist als kleiner Test geplant, um herauszufinden wie weit ich mittlerweile wieder mit meinem Knie gehen kann. Daher habe ich nur eine kurze Strecke gewählt und werde dann wieder eine Ruhepause über das Wochenende einlegen um dann zu entscheiden, wie ich weiter machen kann.

Genug gequatscht, los jetzt.

Ich habe mich die gesamte Zeit in Split nur im Bereich der Altstadt und im Marjam Waldpark aufgehalten. Dabei erschien mir die Stadt recht überschaubar und ich war doch etwas verwundert, dass dies die zweitgrößte Stadt in Kroatien sein soll.

Dieser Eindruck wurde beim verlassen der Stadt völlig über den Haufen geworfen. Abgesehen davon, dass es direkt wieder mit fiesen Steigungen los ging, hat sich der Verlauf der Stadt gefühlt ewig gezogen. Ich habe gute zwei Stunden gebraucht, bis ich endlich das Gefühl hatte Split tatsächlich hinter mir gelassen zu haben und noch länger, bis ich dann wirklich mal keine Häuser mehr um mich hatte.

Die Navigation führte mich nicht an der Küstenstraße entlang, sondern über eine kleinere Straße durch das Gebirge von Dalmatien. Ich hatte mir noch nicht viel dabei Gedacht, als ich dieser Route vertraut hatte. Wie hoch kann es hier schon gehen? Ich bin doch am Meer.

Außerdem sind es nur knapp 35 km, welche ich heute eingeplant habe. Gelenkschonend und gemütlich.

So viel dazu. Wie so oft, stellt sich heraus, dass meine Vorstellungen doch etwas von der Realität abweichen. Als sich der Weg teilt, überlege ich noch kurz, ob ich weiter der Küstenstraße folge oder wie vorgeschlagen, die kleinere Straße parallel dazu durch das Gebirge nehme.

Die Route der EuroVelo 8, welche von Cadiz in Spanien über Athen bis nach Zypern führt, empfiehlt auch den Weg durchs Gebirge. OK, die Menschen die das geplant haben, werden sich ja irgendwas dabei gedacht haben. Also schlage ich auch diesen Weg ein.

Die Steigerung ist deutlich sanfter als einige der Passagen in der Stadt von Split. Es geht hoch. Langsam immer weiter hoch. Die Zahl auf dem Höhenmeter steigt langsam an. Anfänglich nur etwas anstrengend, wird es immer mehr zur Belastungsprobe. Denn es hört einfach nicht auf. Leider muss ich auch erwähnen, dass sich das Knie wieder bemerkbar macht. Mehr Worte will ich dazu aber nicht verlieren.

Kein Ende ist in Sicht. Ich gebe zu, ich habe meine Entscheidung von der Küstenstraße abzuweichen doch etwas verflucht. Immer mal wieder war die Steigung zu groß und ich musste absteigen und schieben. Hier rächt sich wieder, dass das Fahrrad deutlich schwerer als vor meinen Aufenthalt in Split ist.

Merke: Immer fleißig den Proviant dezimieren, bevor du dich auf bergige Abschnitte begibst.

Irgendwann bin ich auf über 300 Höhenmeter und das scheint es auch gewesen zu sein. Es sind nur noch 10 Kilometer bis zu meinem Ziel und dieses liegt am Meer. Also muss doch jetzt langsam mal eine ordentliche Abfahrt folgen.

In einem Dorf entdecke ich einen Garten, in welchem Bäume mit Granatäpfeln stehen. Granatäpfel! Ich habe noch nie einen Granatapfelbaum gesehen. Cool. Ich bin im Süden. Olivenbäume, Orangenbäume und Granatapfelbäume. Der Wahnsinn. Nur mir einfach über den Zaun einen zu pflücken, wage ich mich nicht.

Die Navigation schickt mich nicht über die ausgeschilderte Serpentine nach Omiš, sondern wieder einmal über eine kleinere Nebenstraße. Wieder ein Scheidepunkt an welchem ich kurz überlege ob ich der Beschilderung folgen soll oder der Technik vertraue. Ich vertraue der Technik.

Spoiler: Fehler!

Es geht also endlich abwärts hinein in ein kleines Dorf. Am Ende dieses entdecke ich eine schöne Aussicht, auf die Serpentine, welche ich alternativ hätte nehmen können. Ein schöner Anblick. Aber ich bleibe mal auf meinem Weg.

Nur wenige Meter weiter: Wo ist mein Weg?

OK. Laut Navigation, sollte es hier hinunter zum Meer gehen. Das ist aber nur ein kleiner steiniger Trampelpfad. Da soll ich mit meinem schwer beladenen Fahrrad runter?

An einem Haus höre ich wie jemand gerade den Hof mit Wasser aus spritzt. Ich gehe zu dieser Person um mich nach diesem Weg zu erkunden. Die Teenagerin ist dem Englisch nicht so mächtig und holt ihren Vater. Dieser spricht Englisch und Deutsch. Glückstreffer.

Ich frage ihn, ob dieser Weg tatsächlich nach Omiš führt und man diesen mit Fahrrad fahren kann. Er meint es geht, man muss aber aufpassen.

Ich zeige ihm mein Fahrrad und erläutere, wie verdammt schwer es ist. Unter diesen Voraussetzungen sollte ich diesen Weg dann wohl eher doch meiden und die Serpentine benutzen. Vielen Dank für diese Information.

Was bedeutet das jetzt für mich? Genau, die Strecke, die ich eben schon schön nach unten gerollt bin wieder nach oben. Ich hatte heute ja noch nicht genug Steigerungen und bin eh schon ziemlich erschöpft. Ich schiebe das Fahrrad Meter für Meter wieder nach oben. Irgendwann erreiche ich auch wieder schnaufend die Kreuzung, an der ich mich narrenhaft dazu entschlossen habe, der Technik zu vertrauen.

Ich Atme kurz durch. Ein paar Gehirnzellen scheinen noch zu arbeiten. Geistesgegenwertgig entscheide ich mich dazu meinen Helm aufzusetzen. Erst das zweite mal auf dieser Reise. Doch ich bin noch nie eine Serpentine mit Fahrrad herabgefahren und kann mir gut vorstellen, dass ich mit dem schweren Fahrrad ein recht hohes Tempo erreichen werde. Ob mir der Helm dann noch was nützt, sei mal dahingestellt.

Es geht los. Zum Glück ist gerade keine Saison und sehr wenig verkehr. Die kurvenreiche Bergstraße schlängelt sich den Hang hinunter und ich werde immer schneller und schneller. Hätte ich Flügel, würde ich jetzt abheben. Ach nein, das Fahrrad ist viel zu schwer. Bremsen, lasst mich jetzt bloß nicht im Stich!

Mir stellt sich die Frage, ob sie dafür die ganze Plackerei der letzten Stunden in den Bergen gelohnt hat. Fazit: Nein.

Aber es ist trotz dem schön und macht riesigen Spaß den Weg herunter zu fegen. Ich bleibe hin und wieder stehen, um mich an der Aussicht zu ergötzen.

Letztlich ist es ein flüchtiges Vergnügen. Langes Vorspiel, kurzes Finale. Wie so oft. Zwischen zwei gewaltigen Felsformationen führt die Straße hindurch und man ist in Omiš und wieder auf der Küstenstraße.

Jetzt bleibe ich auch auf dieser bis ich an meiner Unterkunft ankomme. OK, ich bin noch mal auf einem kleineren Weg, welcher wirklich direkt am Meer entlang führt.

Dabei entdecke ich auch einen Zwinger, welches abgeschieden zwischen Bäumen und zum Meer mit einem Fels abgegrenzt steht. Eine arme Hundeseele bellt mich hinter den Gitterstäben an. Ich stelle mein Fahrrad ab und versuche Vertrauen zu meinem kleinen Freund aufzubauen. Es dauert tatsächlich nicht lang und wir verstehen uns.

Der Anblick diesen Hund in diesem abgeschiedenen, verwahrlosten Zwinger zu sehen ist erdrückend. Auf der Hundehütte befinden sich etliche geöffnete Hosen Hundefutter. Es lässt sich nicht erkennen, wozu dieser Zwinger gehört. Egal, der Hund freut sich gerade einfach nur über etwas Gesellschaft und Zuneigung.

Ich bleibe eine Weile und muss dann leider noch ein paar Kilometer weiter in meine Unterkunft.

Als ich dort ankomme, merke ich auch wieder, wie erschöpft ich bin. Also schnell alle Taschen rein und ausruhen.

Nach dem ich wieder halbwegs bei Kräften bin entscheide ich los zu ziehen und zu schauen, ob ich etwas zu Essen finde.

Außerhalb der Saison haben alle Restaurant weit und breit geschlossen und ich muss mir etwas in einem kleinen Markt holen und zu Hause zubereiten. Zum Glück habe ich wenigstens eine Küche mit allem wichtigsten was ich brauche.

Auf dem Balkon mit Blick aufs Meer lasse ich diesen anstrengenden Tag ausklingen.

Tag 31 (01.11.2019)

Überraschenderweise ist heute noch mal richtig schönes Wetter. Damit hatte ich nicht gerechnet. Um an die Adria zu gelangen muss ich nur einige Stufen nach unten. An der Steilküste zieht sich ein kleiner Strand entlang mit mehreren Anlegestellen für die kleinen Boote.

Man merkt, das die Saison vorbei ist. Ich bin ganz alleine hier und kann mir in alle Ruhe einen Platz suchen, an dem ich noch mal die Sonne nutzen und im Meer mit den Fischen schwimmen kann.

Das ist eigentlich auch schon fast der ganze Tag. Eben auch Urlaub. Meine Lektüre für die Reise neigt sich auch dem Ende. An dieser Stelle mache ich einfach mal eine Empfehlung für das Buch: Der Ruf der Stille von Michael Finkel. In dem Buch geht es um einen Mann, welcher wie ein Eremit über zwei Jahrzehnte in den USA im Wald gelebt hat. Es handelt sich um eine wahre Geschichte und in dem Buch werden zusätzlich viele Informationen rund um das Thema selbst gegeben. Sehr interessant.

Nach dem Aufenthalt am Wasser, habe ich mich wieder zu dem kleinen Markt begeben um etwas zum Abendbrot zu besorgen. Doch der Laden hat geschlossen. Verdammt. Dann muss ich morgen wohl mit dem Fahrrad nach Omiš fahren um Wasser und Lebensmittel zu besorgen. Das war nicht eingeplant.

Tag 32 (02.11.2019)

Der Herbst ist nun auch in Kroatien eingekehrt. Frisch und mit Starkregen beginnt der Tag. Erst gegen Mittag lockert es sich etwas auf und ich nutze die Chance um nach Omiš zu radeln. Dabei komme ich an dem kleinen Markt vorbei. Heute hat er wieder geöffnet.

OK, Planänderung. Ich fahre nicht extra bis nach Omiš und decke mich hier mit dem überschaubaren Angebot ein. Das erspart mir eine unnötige Fahrt.

Da es zumindest gerade nicht regnet und halbwegs angenehm ist, beschließe ich wieder zum Wasser zu gehen. So schnell kann das Meer ja nicht abkühlen. Nutze ich die Chance doch noch einmal um im Adriatischen Meer zu schwimmen.

Die Wasseroberfläche ist heute etwas rauer und die Brandung ist deutlich lauter, als die letzten Tage. Die raue See hat etwas magisches. Ich verweile, bis die Kälte zu tief in den Knochen sitzt und ich mich nach einer warmen Dusche sehne. Der Abend wird wieder auf dem Balkon verbracht. Die Aussicht ist einfach zu schön, als dass ich sie ignorieren könnte.

Kroatien, ich bleibe wohl noch etwas länger

Nun bin ich einen Monat Unterwegs. Ungefähr 770 km mit dem Fahrrad und ca. 800 km mit dem Zug. Auch wenn die Reise bis her völlig anders verläuft, als ich es mir vorgestellt habe, bereue ich nicht, sie angetreten zu haben.

Was ich in diesen wenigen Wochen gesehen habe, über Länder, Menschen und mich gelernt habe, macht diese Reise zu einem absoluten Gewinn für mich.

Ich bin jetzt über 30 Jahre alt und zum ersten mal für einen so langen Zeitraum nicht in Deutschland und alleine Unterwegs. Obwohl ich mich als Weltoffenen Menschen bezeichne, habe ich selbst bis her so wenig von dieser gesehen. Der Großteil meiner Erfahrungen beliefen sich bis her auf Informationen aus Funk, Fernsehen, Internet und Erzählungen von Freunden.

Jetzt endlich alles einmal selbst zu erleben, nicht eingekerkert in einer Hotelanlage. Jeden Tag aufs neue treffe ich neue Entscheidungen über den weiteren Verlauf meiner Expedition. Nichts ist vorhersehbar. Einen Tag denke ich, ich werde diesen Weg einschlagen und lande dann doch wieder wo anders. Ich brauche nicht versuchen Geschehnisse zu beeinflussen, sondern muss einfach nur reagieren. Ich empfinde das als befreiend und als Luxus.

Klar mache ich mir auch Gedanken darüber, wie es nach dem Ganzen in Deutschland, oder wo auch immer, mit mir weiter gehen soll. Altlasten und Pflichten versuchen sich immer wieder in meinen derzeitigen Tagesrhythmus einzuschleichen. Aber genauso ist mein Kopf zur Zeit so frei, dass ich auch einfach nur da sitzen kann und an nichts denke. Ich weiß nicht, wann ich das das letzte mal hatte. Ein Zustand, den ich gefangen im normalen Alltag nie erreichen konnte.

Ich will das Wort Freiheit nicht definieren, aber ich denke, dass ich diesem gerade zumindest sehr nah bin.

Für die nächsten Tage und vielleicht auch längeren Zeitraum gibt es nun tatsächlich einen Plan. Nach wie vor muss ich auf meinen Körper hören und derzeit alles etwas gemächlicher angehen. Ich hatte zwischenzeitlich mit dem Gedanken gespielt meine Reise abzubrechen. Da die Schmerzen beim Fahrrad fahren einfach auch in die Psyche gehen und den Spaß daran zerstören. Warum also nicht abbrechen und wenn ich irgendwann wieder fit bin noch einmal aufs neue Starten?

Die Antwort ist einfach: Ich will einfach nicht, dass es so und jetzt schon endet. Also geht es weiter.

Da ich einen Cliffhanger brauche um euch bei der Stange zu halten, verrate ich jedoch noch nicht, was mein derzeitiges gesetztes Ziel ist. Ich sollte es jedoch, Ende nächste Woche erreichen.

Nase in den Wind und weiter...