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Aber ich… Los jetzt!

Kapitel 1

"Manche Arbeiten muss man dutzende Male verschieben, bevor man sie endgültig vergisst."  von Unbekannt

Mit diesem Zitat ist die letzte Vorbereitungswoche für meine Reise am besten zusammengefasst. Auch wenn besonders eine Freundin, alles versucht hat, für mich mitzudenken. Die Löcher in meinem Kopf waren einfach zu vielzählig, um sie mit einzelnen Flicken stopfen zu können. Es musste an so viele Kleinigkeiten gedacht werden, so dass diese immer wieder eine Lücke gefunden haben, um als unverarbeitete Tat meinen Kopf zu verlassen.

Ein Startschuss musste her. Der Blick auf die Wetterprognose deutete an, dass ich los muss. Wenn ich noch länger warte, finde ich nur noch mehr Gründe den Starttermin zu verschieben.

Meine erste große Reise, allein auf mich gestellt. Reisen allein kenne ich schon. Doch noch nie für einen solchen langen Zeitraum und schon gar nicht für eine solche Tour.

Die genauen Gründe für diesen Schritt, erörtern wir im Laufe der Reise. Einen kann ich nennen:

Wie bisher konnte es nicht weiter gehen. Ich muss etwas ändern.

Ein radikaler Schnitt und der Austritt aus der eigenen Komfortzone soll mir helfen meinen Kopf frei zu bekommen und zu fokussieren.

Los jetzt. Keine Zeit und Geduld mehr die eigenen Gefühle oder die von Freunden und Familie in Frage zu stellen oder zu berücksichtigen.

 

Tag 1

 

Am 02. Oktober kurz nach 11 Uhr saß ich endlich auf dem Fahrrad. Doch bevor ich Leipzig den Rücken kehren konnte, musste noch ein Problem gelöst werden.

Diese verdammte Luftpumpe passt nicht auf mein Ventil. Was haben die mir denn da im Fahrradladen verkauft? Also zum nächstgelegenen Fahrradladen und mein Problem präsentiert. Schnell war der Fehler gefunden. Er stand vor dem Fachmann und will eine Reise nach Athen machen. Dabei kann er seine eigene Luftpumpe nicht mal so umbauen, dass sie auf seine Ventile passt.

Aber hey, Problem gelöst, dann kann es doch jetzt los gehen.

Also etwas mehr Druck auf die Reifen gebracht und in die Pedale getreten. Noch etwas wackelig, da das Fahren unter einer solchen großen Last doch ungewohnt ist. Mit jedem Kilometer wurde ich souveräner. Bevor ich Leipzig jedoch komplett hinter mir gelassen habe, musste noch mal ein kurzes Päuschen am Cospudener See gemacht werden. Dabei einen kurzen Plausch mit einem Wanderer gehabt.

Wanderer: "... so ist richtig. Nicht lang quatschen. Machen!"

OK, alles klar. Ich fahr ja schon weiter.

Es läuft gut. Stück für Stück rückt die Vertraute Umgebung in die Ferne. Es fängt an hügliger zu werden. Und das ist ein Problem. Verdammt ist das alles schwer! Um so mehr Steigungen kommen desto bewusster wird mir, dass ich so nicht lange durchhalte.

Als es schon anfängt dunkel zu werden, stehe ich gerade mitten in Rochwitz und denke nach. Was mache ich jetzt? So kann ich unmöglich weiter fahren. Aber jetzt die Reise abbrechen, wäre lächerlich.

Also beschließe ich eine Unterkunft aufzusuchen um mein Zeug noch mal durchzugehen.

Alles ausgebreitet und die Gedanken sortieren, was wirklich wichtig ist und was nicht. In diesem Augenblick erreicht mich auch der Mutterinstinkt per Handy. Nicht meiner, sondern der meiner Mutter. Mutterinstinkt eben. Welch Glück habe ich doch. Mir wird der Vorschlag unterbreitet, dass meine Eltern persönlich lang kommen um überschüssigen Kram mitzunehmen. Welch Erleichterung und Zeitersparnis für mich. Also den Rest des Abends in der Unterkunft damit verbracht, Sachen auszusortieren.

Ein ganzer Beutel hat sich entschieden, die Reise nicht weiter mit mir fortzusetzen. Damit konnte ich die erste Nacht trocken in einem warmen Zimmer und besten Gewissens schlafen.

Am nächsten Morgen dann ein Kraft gebendes Frühstück. Das muss ich auch erst wieder lernen. In den letzten Tagen ist Essen deutlich vernachlässigt worden. Dies darf natürlich kein Dauerzustand werden.

 

Tag 2

 

Ausgecheckt und die Taschen vor die Tür gebracht, höre ich auch schon das charakteristische Lachen meines Vaters über den Parkplatz vom Gasthof hallen. Die lieben Eltern in Begleitung von Tante und Onkel auf dem Weg zum Familientreffen im Erzgebirge, retten dem Sohn die Reisepläne. Die Gelegenheit den eigenen Eltern mal die volle Ausrüstung im gepackten Zustand zu zeigen. Ganz schön viel. Trotz eines großen, roten, aussortierten Beutels.

Noch mal eine Richtige Verabschiedung und dann aber auch los. Es ist schon wieder spät am Tag und es wird zeitig dunkel.

Nach wenigen Metern bleibe ich aber auch schon wieder stehen. Die Regensachen müssen raus. Auch die Sachen die ich drunter ziehe werden mehr. Im Laufe des Tages wird es ein Wechselspiel aus Regensachen an, Regensachen aus, Regensachen an, Regensachen aus, bis ich mich dazu entschließe sie einfach an zu lassen.

Noch ziemlich am Anfang der heutigen Etappe, treffe ich einen Jägersmann und führe ein kurzes Pläuschchen mit diesem. Er hatte gerade eine Rotte Wildschweine beobachtet. Wenigstens diese scheinen sich bei diesem Wetter wohl zu fühlen. Er hat mir noch einen guten Tip gegeben um nach Chemnitz rein zu kommen und dann bin ich weiter.

Weidmannsheil!

Tatsächlich hat mich ein schön ausgebauter Radweg bis ins Zentrum von Chemnitz geführt. Doch Zeit für eine Stadtbesichtigung habe ich mir nicht genommen. Ich bin einfach nur durchgefahren. Genervt vom Wetter. Lediglich die Zeit, in einem Dönerladen auf dem Weg, ein paar Nudeln zu essen, habe ich mir genommen. Ja, Nudeln.

Mit etwas warmen im Bauch ging es auf zum nächsten Abschnitt der heutigen Tour. Dieser hatte es in sich. Die Anstiege wurden krasser und der Regen prasste auf mich nieder. Am Ende meiner Kräfte habe ich irgendwann im Strömenden Regen beschlossen wieder eine Unterkunft zu nehmen. Diesmal auch nicht lange nach guten Angeboten gesucht. Hauptsache nah. Fündig habe ich mich durch die letzten Kilometer gequält.

Am Schalter fülle ich alles zum einchecken aus, da kommt ein älteres Ehepaar hinter mir rein. Diese haben mich erkannt. Offensichtlich sind sie an mir mit dem Auto vorbeigekommen und haben mir ihr Mitleid bekundet. Danke. Aber eine warme Dusche und viele Heizungen um meine Sachen zu trocknen sind jetzt alles was ich brauche.

So Stand ich in meinem Zimmer. Die Sachen zum Trocknen überall verteilt. Dann die womöglich beste Dusche meines Lebens.

Als alles fertig war, bin ich erschöpft ins Bett, grübelnd wie es weiter gehen soll.

 

Tag 3

 

Am nächsten Morgen sah die Welt schon wieder anders aus. Es gab wieder ein reichhaltiges Frühstück. Die Überlegung noch eine Nacht zu bleiben, habe ich schnell verworfen. Ich wollte wieder auf die Straße. Heute endlich die Grenze überqueren.

Also wieder Sachen gepackt. Und los. Heute war auch keine Nässe von oben mein Begleiter. Nur wieder elendige Anstiege. So kämpfte ich mich immer weiter nach oben. Dem Grenzübergang immer etwas näher. Mit der Navigation kämpfend entschied ich mich immer wieder für andere Wege. Wie sich herausstellte, dann irgendwann, zu Recht.

Ich habe einen kleinen unscheinbaren Grenzübergang in die Tschechische Republik gefunden. Mitten hinein in einen dunkeln Wald. Zivilisation schien weit entfernt. Irgendwo musste es doch aber Bevölkerung geben. Wer sonst sollten diese Tschechen sein?

Am Ende des Waldes eröffnete sich mir dann auch eine neue Welt.

Ein bisschen wie Mittelerde, Grüne Hügel, Wälder in entfernter Landschaft und kleine Häuseransammlungen. Nur leider unter grauem Himmel. Aber vom Gefühl strahlte die Sonne.

Damit stieg auch meine Laune und ich bin weiter immer Richtung Chomotov/Komotau gefahren.

Die letzten Kilometer wurde ich dann auch mit einer ordentlichen Abfahrt belohnt.

Gegen 17 Uhr war ich dann im Ort und ich hatte beschlossen gleich weiter mit dem Zug nach Prag zu fahren. Das Wetter wurde eh wieder schlecht und ich möchte nun ein paar Kilometer überspringen.

Es hatte etwas gedauert, bis die Dame am Schalter verstanden hat, was ich von ihr wollte. Irgendwann hatte ich mein Ticket in der Hand. Auf den Zug wartend durchsuchte ich das Internet nach möglichen Übernachtungsmöglichkeiten in Prag und musste feststellen, dass dieses Wochenende exorbitant teuer ist. Also spontan entschlossen doch in Chomotov zu bleiben und das Ticket verfallen zu lassen. Es ist günstiger hier zu bleiben.

Mir eine Unterkunft gesucht und eingekehrt.

Am Tisch mit zwei Tschechen zu Abend gegessen und Bier getrunken. Leider kam es zu keiner richtigen Konversation, da weder Englisch noch Deutsch für sie gebräuchlich war.

Den Abend dann zeitig schlafen gegangen. Hat aber nichts gebracht. Die Nacht war nicht erholsam. Ich war immer wieder wach. Irgendwie war ich genervt.

 

Tag 4

 

Am nächsten morgen war ich nicht wirklich erholt.

Zum Frühstück gegangen und wenigstens dort für den schlechten Schlaf entlohnt. Dann wieder das alte Spiel. Sachen packen, zum Fahrrad bringen bestücken und los.

Wieder zum Bahnhof. Es saß die gleiche Frau am Schalter wie gestern. Warum ist der Typ schon wieder da. Diesmal mit einem neuen anliegen. Ich will nach Bratislava.

Ja ich habe beschlossen einige Kilometer Richtung Süden zu überspringen in der Hoffnung auf erträglicheres Wetter.

Auch das hat wieder eine weile gedauert, bis alles verständlich wurde. Mit einer großen Zahl an Tickets setzte ich mich an den Bahnsteig und wartete. Wartete. Wartete, Ja mein Zug hat Verspätung. Wie in Deutschland. Wenn ich mal Zug fahre ist immer was.

Endlich kam er dann doch. Nächste Hürde, der Einstieg lag gefühlt 2 Meter über den Bahnsteig. Mein Fahrrad wog mit dem Gepäck gefühlt eine Tonne. Der Schaffner, 2 Reisende und ich haben es dann irgendwie geschafft mein Fahrrad durch die Enge Zugtür in das Abteil zu hieven. Na das kann ja noch was werden.

Mitten in der Pampa an einem Bahnhof bleiben wir stehen und ich werde gebeten den Zu zu verlassen und einen anderen zu nehmen. Dieser Wagon, in dem ich war, ist kaputt und der Zug fährt ohne Fahrradabteil weiter.

Super. Mein Zugglück. Und das alles mit dem ganzen Gepäck. Ein Krampf.

Dann wieder an der Information lange Erklären müssen, was mir da eben passiert ist. Irgendwann hatte ich ein neues Ticket für einen Zug nach Prag.

Diesmal war ich auch besser vorbereitet auf den hohen Einstieg in den Zug. Dieser Zug kam diesmal auch nur mit leichter Verspätung. Endlich weiter. Gegen 16 Uhr dann endlich in Prag.

 

Wieder zur Bahninformation. Zum Glück waren sie in der Hauptstadt besser auf internationale Gäste eingestellt und so ging es dort am Schalter ganz schnell und ich hatte mein Ticket für die weiterfahrt nach Bratislava.

Die Stunde Zeit, habe ich genutzt um mir etwas warmes zu Essen zu holen.

Diesmal kam der Zug auch pünktlich.

Beim Einstieg kommt ein anderer Reisender auf mich zu. Wie sich herausstellt, ist er auch ein begeisterter Fahrradreisender und so gab es direkt ein Thema worüber wir uns austauschen konnten. Glücklicherweise war er auch der englischen Sprache mächtig und wir konnten ein ausgewogenes, interessantes Gespräch führen. Leider musste er den Zug nach relativ kurzer Zeit wieder verlassen und meine Fahrt ging allein weiter.

Oh verdammt, ich brauche ja noch eine Unterkunft wenn ich in Bratislava ankomme. Also noch schnell online eine gebucht. Puh, läuft doch.

Kurz vor Bratislava stelle ich fest, dass die Unterkunft nicht wie ich dachte in der Nähe vom Bahnhof, sondern in der Nähe vom Flughafen ist.

OK. Das befördert mich mal wieder aus meiner Komfort Zone. Bei Nacht einige Kilometer durch eine fremde Stadt. Etwas unwohl ist mir da schon.

Am Bahnhof angekommen packe ich mein Fahrrad, bringe Licht und alles an. Dann los auf die Straße.

Kaum war ich raus aus dem Bahnhof verfliegt das ungute Gefühl. Wenn ich rolle ist alles gut und ich bin unaufhaltsam. Außerdem scheinen alle anderen auch mit sich selbst beschäftigt zu sein.

Ich peitsche durch die Nacht und komme nach gar nicht all zu langer Fahrtzeit an meiner Unterkunft an. Und was für eine! Gut dass ich 2 Nächte gebucht habe.

So habe ich morgen keinen Stress und kann in aller Ruhe planen, wie meine Reise weiter gehen soll.

Am nächsten Morgen Gefrühstückt und den Tag entspannt. Das Fahrrad gewartet, die weitere Route geplant und Text für die Webseite geschrieben.

Kurz ca. 2 Stunden durch die Gegen gelaufen, aber den Rest des Tages im Zimmer verbracht.

Kein Aufbruch ohne Abbruch

Prolog

Linke Gehirnhälfte: "Mensch, so ein eigener umgebauter Van, das wäre doch was."

 

Rechte Gehirnhäfte: "Andy, bleib realistisch, du hast weder das Geld dir einen Van zu kaufen, geschweige denn ihn umzubauen."

 

LGH: "Aber so ein Dachzelt. Das geht doch, oder?"

 

RGH: "Wo willst du das dann drauf machen? Auf dein kleines rotes Geschoss? Klar, es ist zuverlässig und wahrscheinlich wird es uns alle überleben. Aber auch nur so lange du nicht hunderte Kilo aufs Dach schnallst. Außerdem schau dir mal an, wie teuer ein gutes Dachzelt ist."

 

LGH: "Ist ja gut. Ich fahre ja schon weiter."

 

Ja, Unterwegs schießen mir immer die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Habe ich schon erwähnt das ich meinen Job gekündigt habe? Und meine Wohnung?

 

Wofür? Neuer Job? Neue Liebe? Neue Stadt? Quatsch. Ich doch nicht.

 

LGH: "Hey, Athen."

 

RGH: "Was ist damit?"

 

LGH: "Da war ich noch nie."

 

RGH: "Und?"

 

LGH: "Ist bestimmt cool da."

 

RGH: "Willst du da mit deinem Auto hinfahren oder was?"

 

LGH: "Ich mag Fahrrad fahren."

 

RGH: "Ach komm schon. Wirklich?"

 

LGH: "Ich geh mal zum Fahrradladen und erkundige mich mal, ob mein Fahrrad für eine solche Reise gemacht ist, dann sehen wir weiter."

 

Ja, so oder so ähnlich ist das Gespräch abgelaufen. Das Gespräch mit mir selbst. Ich glaube es war noch etwas ausführlicher und die ein oder andere Beleidigung ist auch gefallen. Aber letztlich konnte ich mich mir gegenüber durchsetzen. Das war die erste Hürde.

Die nächsten Wochen und Monate war es dann immer wieder Thema, Was braucht man? Wie kann ich mich vorbereiten. So viele Leute auf der Welt scheinen riesige Touren zu machen und es scheint nicht so unmöglich. Warum also sollte ich das nicht auch schaffen?

Ein bisschen Geld habe ich und noch viel mehr Zeit.

Bevor ich mich also wieder komplett in die Gesellschaft integriere, will ich doch erst einmal schauen, was die Welt noch so für mich bereit hält.

OK, ich gebe zu, es waren deutlich mehr Gedankengänge nötig um diesen Entschluss zu fassen. Aber nicht alle waren relevant.

Jetzt heißt es einfach nur Ziel setzten und alles dafür tun, es zu erreichen. Ich will, dass mein Fahrrad am Stadthafen von Athen steht.

Dazu brauche ich keine Wohnung. Keine Möbel und keinen Job.

Los geht’s.

Gucken wir doch mal was die Zukunft bringt und wie sie mich formt.

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