Kapitel 8

„What does the coyote say?“

Hä!? Das verstehe ich jetzt nicht? Wer hat dich da denn erwartet?

Da gibt es wohl etwas Klärungsbedarf. Zu Beginn meiner Reise hatte ich es durchaus eingeplant, mir die Option offen zu halten an einem Ort länger zu verweilen, wenn ich meine ein besonders schönes Plätzchen entdeckt zu haben. Ich möchte ja auch Land und Kultur kennen lernen.

Dazu gibt es zahlreiche Portale im Internet, welche genau das Anbieten. Es wird zwischen Locals und Helfern vermittelt. Ob auf einer Farm, in einem Hostel, als Haushaltshilfe, in Unterkünften und so weiter. Es gibt Zahlreiche Angebote für Reisende Ihre Arbeitskraft im Austausch für Kost und Logis anzubieten.

Ein Gewinn für alle Beteiligten. Man kommt in Kontakt mit den Menschen, bietet seine Hilfe an, kann seine Arbeitserfahrung ausbauen und die Kultur deutlich genauer kennen lernen.

Klingt genau richtig für meine derzeitige Situation. Kroatien gefällt mir und ich komme zur Zeit eh nicht sonderlich gut voran. Meine Knie brauchen noch immer Schonfrist und es ziehen die Novemberstürme auf. Aus dem Norden die kühlen Bora-Winde und aus dem Süden die warmen Jugo-Winde.

In diesem Augenblick, wo ich diesen Text schreibe, tobt draußen ein kräftiger Jugo-Sturm. In den Nachrichten habe ich heute Abend viele Bilder aus den Küstenregionen Kroatiens gesehen, unter anderem Split, wo mit den Folgen der Stürme gekämpft wird. Es herrschen Temperaturen zwischen 18 und 21 Grad, aber es Regnet stark, Gewittert und vor allem Stürmt es. Wer nicht unbedingt raus gehen muss, bleibt an solchen Tagen lieber in seinen sicheren vier Wänden.

Ich schweife ab. In Lovište habe ich einen Host gefunden, welcher vielseitige Helfer suchte. Das klang interessant für mich um diesen aufzusuchen. Ohne genau zu klären, was auf mich zu kommt, habe ich zugesagt und meine Route an die nördlichste Spitze der Halbinsel Pelješac geplant.

Und da hat mein letzter Bericht aufgehört.

Diese Form von Arbeit bewegt sich in einer Grauzone. Ich kenne die gesetzliche Lage in Kroatien nicht, vermute aber, dass es sich diesbezüglich nicht stark von der Situation in Deutschland unterscheidet. Zum Schutz meines Gastgebers werde ich ihn nach Absprache nur beim Vornamen nennen.

Robert betreibt eines der diversen Restaurants in Lovište und bietet einige Unterkünfte und Apartments an. Innerhalb der Saison helfen die Volunteers bei der Gästebetreuung.

Ich bin außerhalb der Saison da. Arbeit gibt es trotz dem genug. Robert und seine Familie sind im Besitzer einer Farm und benötigt Hilfe beim Pflücken diverser Früchte, Beschaffung von Holz für den Grill, welcher im Sommer jeden Tag zum Einsatz kommt und diversen anderen Tätigkeiten auf dem Hof.

Nach dem ich nach meiner Tour über die Berge erschöpft angekommen bin, hat mich Robert kurz ein wenig herumgeführt. Ich sah aber scheinbar so erschöpft aus, dass wir dann doch recht zügig die Küche aufgesucht haben, in welcher seine Mutter bereits ein großes, köstliches Festmal vorbereitet hat. Ich werde seinen Eltern vorgestellt und beim Abendbrot lernt man sich langsam kennen.

Nach dem Essen drehen wir noch eine kurze Runde durch den Ort. Da es jedoch bereits dunkel ist, sieht man nicht viel. Am meisten herausgestochen haben dabei die Kojoten, welche immer wieder ihre Jaul-Gesänge angestimmt haben. Ich bin fasziniert. Das muss ich unbedingt mal aufnehmen.

Wir beide sind geschafft von unseren Tagen und beschließen alles weitere morgen zu besprechen.

Das war also meine Ankunft. Mindestens eine Woche werde ich hier bleiben und einfach das Leben an der Küste erleben.

Tag 40 (10.11.19)

Um 7 Uhr klingelt mein Wecker. Stört mich nicht, da ich schon ein paar Minuten vorher wach war. Acht Uhr sind wir zum Frühstück verabredet.

Alle gemeinsam Essen wir in der Küche zu Frühstück und Robert erläutert mir seinen Plan für den heutigen Tag. Es soll raus zur Farm gehen. Holz für den Grill sammeln.

Klingt ein wenig vertraut. Nur, dass wir dazu keine Bäume fällen müssen.

Nach dem Frühstück werden Hänger und Auto beladen und los geht es. Eine Schotterpiste führt einen Berg hoch.

Wow.

Da ist einer. Nach einer Biegung steht plötzlich ein Kojote mitten auf dem Weg. Gestern Abend noch gehört und heute sehe ich direkt einen. Er ist genauso überrascht wie wir. Robert fährt langsamer und der Kojote beobachtet uns noch kurz, ehe er wieder im dichten Gestrüpp verschwindet. Zu kurz ist der Augenblick, als das ich ihn auf einem Bild festhalten konnte. Wenigstens kann ich es in meinem Kopf abspeichern.

Es geht weiter zur Farm. Ehemaliges Nutzland wird wieder erschlossen und so fällt immer etwas dichtes Geäst an. Handschuhe an und los. Im Hänger landet alles was Brennbar ist. Holz Sammeln mit Ausblick aufs Meer. Das ist doch mal was. Bis zum Mittag haben wir den Hänger voll mit Holz und fahren wieder zurück.

Wieder in der Küche wartet schon ein üppiges Mittagessen auf uns. Mehr als ich essen kann. Doch, es schmeckt mir. Ich habe doch schon drei Teller voll gegessen. Ich kann einfach nicht mehr. Im Laufe meines Aufenthalts werde ich immer wieder zum Essen genötigt. Es ist einfach so viel. So lecker, aber wenn der Bauch voll ist, geht einfach nichts mehr rein.

Nach dem Mittag Essen geht es wieder zurück zum Holz. Robert steht an der Kreissäge und ich reiche ihm das Holz direkt vom Hänger. Die kleingeschnittenen Holzstücke stapeln wir ordentlich an einer Wand. Hey , wie lange hält denn so eine Ladung? Ach, vielleicht eineinhalb Tage.

OK, also müssen wir noch gut was holen.

Drei Uhr Nachmittags ist aber Feierabend für mich. Zu viel muss ich dann doch nicht arbeiten. Gut, dass das Meer direkt vor der Tür ist. Der Dreck und Schweiß von der Arbeit wird direkt im Meer abgespült.

Anschließend laufe ich noch eine kleine Runde durch den Ort so lange es noch hell ist. Es reicht wirklich nur für eine kleine Runde. Dann ist schon wieder Zeit zum Essen. Und wieder wartet ein reich gedeckter Tisch auf uns. Gefühlt könnte das ganze Dorf an diesem satt werden.

Wir unterhalten uns noch eine Weile nach dem Essen, bis ich dann doch noch mal raus will. Ich möchte unbedingt die Geräusche der Kojoten aufnehmen. So laufe ich durch den Ort in der Hoffnung, dass diese noch einmal mit ihrem Gesang aufwarten.

Vergebens. Sie halten sich zurück. Enttäuscht kehre ich zurück in mein Zimmer.

War ja klar. Kaum bin ich drin und habe meine Sachen abgelegt, höre ich sie draußen los legen. Na wartet ihr frechen Biester, ich erwische euch schon noch. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 41 (11.11.19)

Die Lauscher aufgespannt, klingt ungemütlich draußen. Dennoch wird pünktlich um 8 am Frühstückstisch gesessen. Was Essenszeiten angeht ist Mama sehr penibel. Mit über 80 jährigen braucht man darüber auch nicht diskutieren.

Das Wetter schränkt die Möglichkeiten heute erheblich ein. Aber treu dem Motto: Es gibt immer was zu tun. Finden wir natürlich auch heute etwas. So gehen wir in den Weinkeller und sorgen dafür, dass der Rebensaft seinen guten Geschmack behält und nicht zu Weinessig mutiert.

Ich selber bin ja kein Weintrinker, freue mich trotz dem über den Einblick in das Handwerk. Auch wenn ich letztlich nur dabei helfe, das bereits fertige Produkt zu verwalten.

Zum Mittag Essen gibt es wieder reichlich, lecker und eigentlich zu viel. Nach getanem Werk am Nachmittag fahren wir noch mit dem Boot raus um die Fischfallen zu kontrollieren. Vielleicht findet sich ja ein Abendbrot. Nicht ganz. Es ist kaum nennenswert was zusammenkommt.

Am Abend drehe ich wie üblich meine Runde durchs Dorf. Immer in der Hoffnung die Kojoten mit meinem Mikrofon aufzunehmen. Vielleicht habe ich sogar Glück und einer rennt mir vor die Linse.

Nein, leider nicht. Es bleibt dabei. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 42 (12.11.19)

Jugo will heute mal so richtig zeigen was er kann. Sich draußen Aufzuhalten ist äußerst ungemütlich. Der Vormittag wird also für ein wenig unangenehmen Papierkram genutzt. Nicht für mich, aber Robert hat da ein bisschen was schleifen lassen.

Die Regenpausen nutze ich, um ein wenig die Gegend zu erkunden. Später am Nachmittag geht es aber noch mal richtig los. Regen und Sturm. Im Vergleich zum Rest von Kroatien, kommen wir hier aber scheinbar noch gut weg.

In den Nachrichten flimmern Bilder von verschiedenen Küstenregionen in denen mit den Wassermassen gekämpft wird. In Dubrovnik wurde gar eine Welle von 11 Metern gemessen. Elf Meter! Wie misst man eigentlich die Höhe von Wellen? Wahnsinn.

Hatten wir ja noch richtig Glück hier in unserer Bucht. Am Abend und über die Nacht tobt sich Jugo auch noch mal richtig aus. Keine Chance für mich, die Kojoten zu erwischen. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 43 (13.11.19)

Die letzten Ausläufe vom Sturm ziehen dahin. Wir nutzen die Zeit noch für ein paar Indoortätigkeiten. Später am Vormittag sind vom Wind dann aber auch die letzten Wolken vertrieben und die Sonne lässt die Bucht im sommerlichen Gewand erstrahlen.

Nun heißt es Schäden beseitigen. Zum Glück ist nichts schlimmes passiert. Nur ein paar Planen hat es davon geweht und Sachen, die darunter eigentlich geschützt sein sollten, nass werden lassen. Die Gelegenheit für eine gnadenlose Entrümpelung. Robert tut sich damit jedoch etwas schwer. Es hat sich so einiges über die Jahre bei ihm angesammelt.

Aber mit ausmisten kenne ich mich doch jetzt auch. Leider kann ich ihn jedoch nicht völlig von meinen Künsten überzeugen und so wird trotz dem versucht zu retten, was auch schon vor dem Wasserschaden für den Müll bestimmt war. Ich habe mein bestes gegeben.

Am Nachmittag fahren wir noch einmal auf die Farm um neues Holz zu sammeln. Davon kann nicht genug eingelagert werden.

Den angesammelten salzigen Schweiß spüle ich mir nach der Arbeit direkt im Meer vom Leib. Ich kann doch die große Badewanne vor der Tür nicht ignorieren. Das frische Wasser bringt den Kreislauf wieder richtig in Schwung.

Heute ist auch ein weiterer Helfer namens Stefan eingetroffen. Robert begrüßt ihn schon seit 4 Jahren bei sich. Alte Bekannte also.

Das Wetter lässt es am Abend nach dem Abendbrot wieder zu, dass ich meine Streifzüge durch den Ort und Umgebung mache. Alles nur um Kojoten aufzunehmen und vielleicht zu sehen.

Eine ordentliche Tonaufnahme habe ich auch heute nicht bekommen. Aber immerhin eine Begegnung mit einem dieser scheuen Vierbeiner. Sag deinen Kollegen ruhig Bescheid: Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 44 (14.11.19)

Wetter gut, alles gut. Ein Arbeitsreicher Tag. Wieder ging es in erster Linie um Holz. Da gab es wieder eine ganze Hängerladung, welche zu Kleinholz verarbeitet werden möchte.

Neben dieser Tätigkeit wurde noch für etwas Ordnung auf dem Hof gesorgt.

Am Nachmittag ging es wieder raus zur Farm. Na? Genau, Holz holen.

Während Robert und Stefan eine Runde zum Bolzplatz sind um sich mit der Dorftruppe anzulegen, habe ich die Gelegenheit und das ruhige Wetter genutzt, um mal mit dem Kanu auf dem Meer eine Runde zu drehen.

Einfach entlang der Küste in den Sonnenuntergang. Wie gerne würde ich das einfach mal einen ganzen Tag machen. Einfach so weit ich kann und das Wetter mich lässt. Na vielleicht habe ich ja noch mal Gelegenheit dazu. Nach meiner Runde auf dem Wasser, musste ich mich natürlich auch noch in die salzigen Tiefen stürzen. Brrr.

Nach dem Abendbrot war ich voll motiviert. Heute erwische ich euch! Ich setzte mich auf meinen Hügel, welchen ich immer wieder mal während meines Aufenthalts aufgesucht habe. Ich habe Zeit. Jede Menge Zeit. Also Jungs, singt mir euer Lied.

Und tatsächlich. Heute schaffe ich es tatsächlich die Kojoten bei ihrer Abendkommunikation aufzunehmen. Was sie sich, erzählen, keine Ahnung. Aber ich habe nun Aufnahmen, welche ich gerne einem Übersetze zukommen lasse. Ob ich das noch mal schaffe? Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 45 (15.11.19)

Langsam schleicht sich Routine ein. Ein Tag der sich mal wieder voll und ganz über das brennbare Naturprodukt drehte. Schier unendlich scheint das Vorkommen auf der Farm zu sein und noch größer der Bedarf. Die kroatische Küche ist kreativ beim Umgang mit dem offenen Feuer. Zahlreiche Gerichten lassen sich schmackhaft über der Glut zubereiten. Da ist man doch gerne behilflich, dass diese Tradition bewahrt werden kann.

Während wir zur Arbeit schreiten, kann Kätzchen natürlich noch gemütlich im Körbchen schlummern.

Als wir auf der Farm sind gibt es noch einen kleinen Exkurs in die Familienhistorie. Überall in Kroatien, anderen mediterranen Ländern und darüber hinaus findet man sie: die Trockenmauern. Im Mittelmeerraum gehören sie zur Kulturlandschaft. Sie erfüllen diverse Zwecke beim Anbau von Oliven, Reisfeldern oder Weinbergen. Sie speichern die Wärme über den Tag und geben sie Nachts zurück in den Boden, sie erweitern Anbaugebiete in Steillagen. Steine gibt es an vielen Küsten im Überfluss und so haben sie Menschen diese zum Nutzen gemacht.

Die Geschichte, welche uns Robert erzählt betrifft genau so eine Steinmauer. Als Kroatien im Zweiten Weltkrieg von den Achsenmächten eingenommen wurden, musste die Bevölkerung einen Großteil ihrer Ressourcen und Nahrung zur Unterstützung der Front abgeben. Oftmals auch mehr als verträglich. Um nicht unter Hunger leiden zu müssen, hat Roberts Vater eine Höhle in der Steinmauer geschaffen und dort Nahrung versteckt. Auf dem Foto sticht sie mittlerweile durch ihre Erhabenheit hervor. Doch damals war die Mauer auf einer Ebene und zog sie wie viele andere über das Land.

Sie war damals bei weitem nicht so gut zu entdecken wie heute. Lebensmittel wurden in ihr gelagert und der Eingang wieder mit Steinen verschlossen. Es gab also zweierlei Gefahren bei diesem Vorhaben. Würde man herausfinden, dass sie Nahrung vor den Truppen verstecken, hätte das schwerwiegende Konsequenzen für die Familie gehabt. Die Angst hunger leiden zu müssen, lies den Menschen jedoch keine andere Wahl.

Unweit von dem Platz an welchem wir uns befinden, ist ein Flugzeug eines Alliierten abgestürzt. Der Pilot überlebt den Absturz und flüchtet von der Absturzstelle. Er befindet sich mitten in feindlichem Gebiet und rennt um sein Leben. Dabei begegnet der dem Vater von Robert. Dieser zögert nicht lang. Dem Vater ist egal, auf welcher Seite der Mann kämpft der vor ihm steht. Er möchte einfach nur sein Leben retten.

Der Eingang zum Versteck in der Mauer wird geöffnet und der Pilot versteckt sich in der steinernen Vorratskammer. Wieder versiegelt mit den Steinen ist die Mauer unscheinbar wie zuvor. Die Familie setzt sich nun einer noch größeren Gefahr aus. Sie halten nicht nur Nahrung zurück, sondern verstecken auch einen Mann der anderen Seite.

Soldaten durchsuchen das Gebiet nach dem Piloten. Befragen auch den Vater, doch dieser hält inne. Selbst unter dem Einsatz von Suchhunden, wird der Pilot in dem Versteck nicht ausfindig gemacht. Als es Nacht wird öffnet der Vater wieder den Zugang zum Versteck. Im Schutze der Dunkelheit setzt der Pilot seine Flucht fort. Was aus ihm geworden ist, bleibt unbekannt.

Diese Geschichte hat mich noch den ganzen Tag und darüber hinaus beschäftigt. Sie zeigt auf so vielen Ebenen den Wahnsinn von Krieg. Krieg schafft Situationen, in denen Menschen auf Befehl töten und andere wiederum sich selbst in Gefahr bringen, um anderen zu helfen. Gibt es einen Krieg, der jemals gutes bewirkt hat? Der der Gemeinschaft zu nutzen kam und nicht nur einzelnen Kriegstreibern? Aus meiner Sicht, gibt es kein Argument welches töten unter Menschen rechtfertigt. Krieg ist das Krebsgeschwür der Menschheit, gegen das es noch kein Heilmittel gibt.

Gedanken wie dieser kreisen mir durch den Kopf, während wir unser Arbeit auf der Farm und später nachgehen.

Am Ende des Arbeitstages gibt es wieder den gang in die offenen Wellen. Zumindest in jene, welches bis in die Bucht schaffen.

Den ganzen Tag hat sich Jugo immer mal wieder mit kleinen Schauern angekündigt. Am Abend kehren auch wieder die ersten stärkeren Winde ein. Für mich die Gelegenheit endlich mal wieder etwas am Computer zu arbeiten, ehe ich das Erlebte alles wieder vergesse. Will ich doch für genug Lesestoff sorgen.

Kann ich doch gleich noch mal die Aufnahmen der Kojoten von gestern anhören. Bin ich damit zufrieden? Hm... vielleicht nehme ich sie doch noch mal auf. Ein paar Tage bin ich ja noch hier.

Tag 46 (16.11.19)

Nach dem ich die letzten Tage bei jeder Arbeit geholfen habe die mir Robert aufgetragen hat, war heute mal Zeit für einen freien Tag. Es fühlt sich seltsam an. Während Robert und Stefan nach dem Frühstück wieder los ziehen um sich an die vielen Aufgaben zu machen welche hier anfallen, kümmere ich mich um meine Freizeitgestaltung.

Bis jetzt habe ich noch nicht so viel von der Umgebung von Lovište gesehen. Also beschließe ich mich aufs Fahrrad zu setzten und einen Runde zu drehen. Vielleicht habe ich ja Glück wie am ersten Tag und begegne wieder einem Kojoten.

Die Hügel und Berge rund um Lovište sind übersät mit Farmen auf welchen vorwiegend Oliven, aber auch Wein angebaut wird. Immer wieder erhasche ich einen guten Ausblick, welcher mir einen schönen Blick auf die See oder Lovište verschafft. Ich finde Spuren von Kojoten und Wildschweinen, treffe aber leider keines der Tiere an. Dazu bin ich dann wohl doch zu laut. Oder stinke zu sehr.

Bei meinem umherstreifen vergesse ich etwas die Zeit, Oh verdammt, gleich Zwölf Uhr, schnell zurück. Das Mittagessen steht schon bereit und Verspätung beim Essen wird nicht gern gesehen.

Zurück steht mal wieder ein deftiges Essen bereit. Roberts Mutter zaubert jeden Tag zwei großartige, warme Mahlzeiten aus dem Hut. Falls ich die letzten Wochen an Gewicht durch die Reise verloren haben sollte, gibt es hier genug zu Essen um die Knochen wieder unter einem sicheren Speckpolster zu verstecken. Vielleicht nicht so schlecht, wenn doch der kalte Winter in Deutschland bei bei meiner Rückkehr auf mich wartet.

Nach dem Mittag wird kurz in Ruhe verdaut. Robert und Stefan sind wieder am Ackern und ich überlege kurz, was ich am Nachmittag mache. Es ist wieder etwas stürmisch. Aber ich habe schon Lust, noch einmal die Küste mit dem Kanu zu erkunden. Ich wäge kurz ab, wie gefährlich das sein könnte.

Ach was solls. Badehose an und rein ins Boot. Entlang der Küste wird es schon gehen. So ist es auch. In den Buchten kann ich mich recht entspannt fortbewegen und an den Spitzen muss ich ordentlich gegen Wind und Wellen paddeln. Bei einer Welle hatte ich kurz das Gefühl mich würde es umkippen, aber letztlich ging doch alles gut und ich konnte mich immer weit genug von den Felsen entfernt halten.

An diese Art der Fortbewegung könnte ich mich gewöhnen. Kann ich nicht gleich weiter paddeln bis Griechenland?

Nach meiner Tour sind auch Robert und Stefan fertig mit ihrer Arbeit. Heute lasse ich mich auch dazu breit schlagen mit zum Fußballplatz zu kommen. Ich habe zwar kein passendes Schuhwerk, aber irgendwie wird es schon gehen.

Über den Tag hat Robert zwar versucht die Dorfjugend zu mobilisieren, aber diesmal ist niemand gekommen. Nur ein paar Kinder und später auch ein Freund von Robert, welcher auch der Bürgermeister von Lovište ist, kommen noch dazu und wir machen eine kleine spaßige Partie. Meine unnachahmlichen Fußballskills sorgen natürlich für offene Kinnladen auf dem Platz. Als würde man einem Produkt zweier Fußballikonen und einem Stein zusehen. Zum Glück gibt es keine Aufnahmen, welche jemals das Gegenteil beweisen können. Es wird immer nur Aussage gegen Aussagen geben.

Nach dem Fußballchaos wird eine Abkühlung im Meer gesucht. Der Luxus das Meer vor der Haustür zu haben ist einfach unbezahlbar. Das Geräusch der Brandung, die gute Luft und stetige dieser leichte Geschmack von Salz auf den Lippen. Einfach Großartig.

Natürlich wartet nach der ganzen Anstrengung wieder ein üppiges Abendmahl auf uns. So viel, so lecker.

Nach dem Essen ziehen Stefan und ich noch eine Runde durch den Ort. Holen uns beim Dorfladen von je zwei Biere und laufen einfach herum und quasseln über alles mögliche. Am Abend wird dann im Wohnzimmer der Eltern von Robert gemeinsam das Spiel Kroatien gegen die Slowakei geschaut. Nach einem Sieg von 3 zu 1 bleibt die Stimmung zum Glück gut.

Danach bin ich aber so müde, dass ich im Bett direkt einschlafe.

Tag 47 (17.11.19)

Über Nacht hat es noch mal ordentlich geregnet. Am Morgen kommt dann aber doch endlich mal wieder etwas Sonne durch. Meine Gelegenheit mal ein paar meiner Sachen zu waschen. Durch die Arbeit hat sich doch gut Dreck in den Fasern angesammelt. Einfach verbrennen geht auch nicht, da ich nicht so viele Kleidungsstücke dabei haben. Was da ist, muss gepflegt werden.

Da heute Sonntag ist und Robert auch mal ein wenig Erholung benötigt, ist für alle heute ein freier Tag. Ich nutze den Vormittag um meine weitere Reise zu planen. Da das Wetter aber so gut ist, mache ich wenigstens eine kleine Runde in die Umgebung.

Irgendwie ist der Vormittag dann auch wieder um und alle sitzen pünktlich um 12 am Mittagstisch. Zur Verdauung schaue ich wieder etwas rum, wie es bei mir weiter gehen soll. Ganz die Füße still halten kann ich aber auch nicht und so beschließen Stefan und ich noch einmal gemeinsam die Gegend zu erkunden.

Blickt man aufs Meer, scheint dort ein straffer Wind zu peitschen. Lass uns doch mal auf eine Ausbuchtung gehen und diesen bei eigenem Leibe spüren. Durch die Hügel und Olivengärten zwängt sich ein kleiner Weg welcher uns bis ans Meer führt.

Tatsächlich, der Wind ist hier deutlich straffer als bei uns in der Bucht. Die Wellen peitschen gegen die Felsen und verflüchtigen sich als feiner Nebel in der Luft. Wir bleiben dort eine ganze Weile und genießen einfach dieses Naturschauspiel.

Später streifen wir noch umher. Dabei immer die Uhr im Blick. Mama Robert darf nicht verärgert werden, wenn sie schon extra für uns alle auftischt.

So geht dann auch ein schöner letzter Tag in Lovište zu Ende. Morgen soll noch mal so gutes Wetter werden. Da muss ich einfach weiter. Am Abend plane ich den morgigen Tag und das Ziel, räume ein paar Sachen zusammen und gehe zeitig schlafen.

Tag 48 (18.11.19)

Wie versprochen strahlt heute die Sonne an einem blauen Himmel. Trotz dem ist dies ein schwerer Morgen. Ich war zwar nur eine Woche hier, hatte aber eine so gute Zeit, dass ich es schon traurig finde, heute wieder zu gehen.

Obwohl ich alle Zeit der Welt habe und eigentlich noch bleiben könnte, will ich aber irgendwie auch weiter. Wer weiß, vielleicht komme ich ja irgendwann wieder.

Ich bin extra zeitig aufgestanden um meine Fähre von Orebić aus zu bekommen. Auch Robert und Stefan sind sehr Früh schon aktiv, da sie aufs Meer raus fahren um die Netze einzuholen, welche Robert gestern Abend noch ausgelegt hat.

Kurz nach um Acht treffen wir uns alle am Frühstückstisch. Noch einmal gemeinsam Essen. Der Fang am Morgen scheint reichlich zu sein. Möchte ich nicht doch noch länger bleiben? Nein, der Entschluss steht fest. Heute geht es weiter.

So packe ich nach dem Frühstück noch den Rest zusammen und belade das Fahrrad. Während dessen schallert fetzige, laute Musik durch die Boxen am aus dem Restaurant und Robert und Stefan sammeln die Fische aus den Netzen. Die Arbeit sieht meditativ aus, doch die Musik aus dem Radio sagt eher: Schwing die Hüften BayBay. Dann noch bei diesem tollen Wetter.

Der Abschied lässt sich trotz dem nicht verhindern. Ein letztes gemeinsames Gruppenbild, um die Erinnerung an die schöne Zeit, an diesem wunderbaren Ort, mit diesen wundervollen Menschen festzuhalten. Danke für Alles.

Dann ist es an der Zeit für mich mal wieder in die Pedale zu treten. Der kleine Ort ist schnell verlassen und ich...

...oh nein, dieser abartige, wahnsinnige Anstieg. Da ist er wieder. Bei der Anreise hatte ich schon Angst, diesen wieder hoch zu müssen und jetzt ist es so weit. In eineinhalb Stunden kommt die Fähre von Orebić nach Korčula Stadt. Die ersten Meter quäle ich mich noch so hoch. Dann wird der Anstieg aber zu steil und ich muss schieben. Schon fließt mir wieder das salzige Wasser in strömen von der Stirn. Als hätte ich schon 30 km vollster Anstrengung hinter mir. Dabei sind es noch nicht mal 2 Kilometer und ich keuche schon wieder. Schleppend geht es immer weiter nach oben und die Zeit rennt. Das wird echt knapp.

Es dauert eine Stunde bis ich den Anstieg endlich geschafft habe. Noch 30 Minuten bis die Fähre kommt. Das wird knapp. Trotz dem möchte ich unbedingt noch einen kurzen Stopp in dem Dorf Nakovanj einlegen. Ein kleiner Ort in den auf dem Berg hinter Lovište. Robert hatte von diesem erzählt. Auf der herfahrt bin ich einfach dran vorbei.

Dabei handelt es sich hierbei um ein typisch altertümliches Dorf, in der klassischen mediterranen Steinoptik. Heute lebt hier keiner mehr. Nur im Sommer finden hier ab und an Festspiele statt.

Das will ich mir doch wenigstens mal kurz ansehen.

Ganz unbewohnt scheint es jedoch nicht zu sein. Aus einem der Häuser steigt Rauch von einem Ofen auf. Von außen wirkt das Haus nicht bewohnt und die anderem Ort noch weniger. Ein stolper ein wenig auf den Mauern umher.

Bei meinem Streifzug entdecke ich mal wieder eine kleine Katze. Eine elendige Seele, welche wieder beweist, dass Kastrationen von Streunern dringend notwendig sind.

Ihr Zustand ist so schlecht, dass ich überlege wie ich sie mitnehmen kann. Aber was dann? Wo finde ich hier einen Tierarzt? Oder nehme ich sie dann mit nach Deutschland? Wie soll ich sie auf meinem Fahrrad transportieren. Ihr Zustand ist so schlecht, dass ich daran zweifel, dass sie einen Transport auf meinem Fahrrad überlebt.

So leid es mir um diese Seele auch tut, ich beschließe meinen Weg fortzusetzen und sie zurückzulassen. Moralisch stelle ich mein Handeln dabei selbst in Frage und denke auch noch Tage danach über diese Situation nach.

Am Aussichtspunkt von dem Weg, welcher wieder die Abfahrt einleitet, treffe ich einen deutschen Urlauber. Dies war leicht für mich zu erkennen an seinem deutschen Kennzeichen. Wir kommen kurz ins Gespräch. Er ist Rentner und kommt jedes Jahr mindestens 2 mal hier her. Selbst ist er auch Radreisender und unternimmt regelmäßig Touren mit einem Freund. Er legt mir den Brennerpass ans Herz. Er schwärmt von dem wunderbar ausgebauten Radweg, welcher auf einer alten Bahnstrecke gebaut wurde. Das merke ich mir doch mal vor.

Die Fähre kann ich nun endgültig vergessen. Ich muss also wieder eineinhalb Stunden warten bis die nächste kommt. Ich gehe zu einem Supermarkt, hole mir eine Kleinigkeit zum Essen und zu trinken und setze mich ans Ufer am Hafen.

Die Auswirkung vom Sturm der letzten Tage sind hier deutlicher zu beobachten als in der abgeschirmten Bucht in Lovište. Entspannt genieße ich die Sonnenstrahlen bis die Fähre 13 Uhr kommt.

Die Überfahrt nach Korčula dauert kaum 30 Minuten. Trotz dem ist der Tag schon recht fortgeschritten und bis zu meinem Ziel in Vela Luka sind es noch 45 Kilometer und die Strecke ist äußerst anspruchsvoll.

Nach wenigen Kilometern beschließe ich mein Glück am Busbahnhof von Korčula Stadt zu versuchen. Ich hatte mich eigentlich auf die Radfahrt über die Insel gefreut. Aber zeitlich habe ich keine Chance noch bei Tageslicht Vela Luka zu erreichen.

Ich habe Glück, ein Bus kommt in nur 15 Minuten. Nun muss ich nur noch klären, ob ich auch mein Fahrrad in diesem mitnehmen kann. Eine Horde Schulkinder steht auch schon breit um den Bus zu nehmen.

Als dieser vorfährt spreche ich den Busfahrer an. Glück gehabt. Kein Problem. In der Lagerfläche vom Bus ist genug Platz für mein Gepäck und das Fahrrad. Also setzte ich mich in den vollen Bus. Alles Schulkinder und eine Handvoll ältere Menschen.

Etwas über eine Stunde dauert die Fahrt mit dem Bus über die gesamte Insel bis Vela Luka. Während der Fahrt kann ich nicht aufhören aus dem Fenster zu starren. Die Strecke eröffnet immer wieder faszinierende Ausblicke über das offene Meer und die Insellandschaft. Wirklich schade, dass ich diese Strecke nicht selbst fahren kann.

Doch die Anstiege, welche der Bus zurücklegt, sind wirklich extrem. Es geht die ganze Zeit immer wieder auf und ab. Ich kann gar nicht einschätzen, wie viele Stunden ich für diese Strecke benötigt hätte. Wahrscheinlich hätte ich bis 21 Uhr gebraucht um in Vela Luka anzukommen.

Auf diese Weise bin ich schon 15 Uhr dort und kann auch direkt meine Unterkunft beziehen. Ohne groß meine Sachen auszupacken schwinge ich mich wieder aufs Rad um die wenigen verbleibenden Minuten bei Tageslicht zu nutzen um den Ort zu erkunden.

Bis es dunkel ist bin ich noch unterwegs. Unterwegs auf einer richtigen Insel. Wieder halte ich mich größtenteils an der Küste. Immer den Blick aufs Meer.

Was habe ich mir da nur all die Jahre entgehen lassen. So ein Leben auf Reise, ich hätte nicht geglaubt, dass es so gut tut. Ich habe mich in den paar Wochen schon so daran gewöhnt, dass all meine Sache, welche in der Heimat eingelagert sind überhaupt nicht vermisse. Alles was ich brauche habe ich bei mir. Wahrscheinlich sogar mehr.

Ich bin so unendlich froh diesen Schritt gewagt zu haben, alles aufzulösen und einfach loszuziehen.

Es ist nie zu spät, bis du tot bist.